Der Liegenschaftszinssatz

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Was ist der Liegenschaftszinssatz?

Der Liegenschaftszinssatz ist ein Kapitalisierungszinssatz, mit dem der Verkehrswert von Grundstücken je nach Art des Grundstücks im Durchschnitt marktüblich verzinst wird. Dabei steht der Bezug zum Grundstücksmarkt im Vordergrund, das bedeutet, dass der Liegenschaftszinssatz mittels Auswertung von Kauffällen auf dem jeweiligen Grundstücksmarkt abgeleitet wird. Ein Liegenschaftszinssatz ist nicht mit einem normalen Zinssatz, wie man ihn etwa bei einer Bank zahlt, zu verwechseln. Mit Liegenschaftszinssätzen sollen die allgemeinen Wertverhältnisse auf dem jeweiligen regionalen Grundstücksmarkt berücksichtigt werden. Innerhalb eines Grundstücksmarktes kann der Liegenschaftszinssatz zusätzlich objektbezogen angepasst werden. Das bedeutet, dass der Liegenschaftszinssatz, der in der Immobilienbewertung zur Anwendung kommt, abhängig von den individuellen Eigenschaften des Bewertungsobjektes angepasst werden kann.

Anwendung nach ImmoWertV

Nach § 21 Abs. 3 der Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV 2021 vom 14. Juli 2021 in BGBl. I, S. 2805), die seit 1. Januar 2022 in Kraft ist und die vorherige ImmoWertV 2010 ersetzt, sind Liegenschaftszinssätze bei der Wertermittlung nach dem Ertragswertfahren heranzuziehen und auf der Grundlage von geeigneten Kaufpreisen und den ihnen entsprechenden Reinerträgen für gleichartig bebaute und genutzte Grundstücke unter Berücksichtigung der Restnutzungsdauer zu ermitteln.

Die Liegenschaftszinssätze bilden eine Ausgangsgröße für die Ableitung des Kapitalisierungsfaktors (umgangssprachlich Vervielfältigers) zur Bestimmung des Gebäudeertragswertes. Aus der Höhe des Liegenschaftszinssatzes können nicht unmittelbar der Grad und die Höhe der Verzinsung für das in der Liegenschaft vorher investierte Kapital abgeleitet und keinesfalls daraus abgelesen werden, da es sich um völlig verschiedene Arten von Zinssätzen handelt.

Ermittlung von Gutachterausschüssen

Liegenschaftszinssätze werden von den örtlich zuständigen Gutachterausschüssen ermittelt. Als Grundlage dienen in der Regel Kenntnisse zu erfolgten Transaktionen zu Liegenschaften in den vergangenen Jahren und die jeweilige Marktsituation. Von den Gutachterausschüssen erfolgt auch die Veröffentlichung der Liegenschaftszinssätze bzw. sind diese bei Bedarf bei den örtlich zuständigen Ausschüssen erhältlich. Die ermittelten Liegenschaftszinssätze haben Durchschnittscharakter. Für eine ganz bestimmte Wertermittlung müssen sie nicht unbedingt geeignet sein und können daher objektspezifisch sachverständig angepasst werden.

Einflussfaktoren zum Liegenschaftszinssatz

Liegenschaftszinssätze werden durch sehr unterschiedliche Faktoren und spezielle Grundstücksmerkmale bestimmt, so beispielsweise durch:

  • die örtliche Lage des Grundstücks, z. B. in einer ländlichen Gemeinde oder in einer Großstadt,
  • die Art und das Maß der baulichen Nutzung,
  • die Art der baulichen Anlagen auf dem Grundstück, z. B. Einfamilienhaus, Reihenhaus, Geschäftshaus,
  • die Größe des Grundstücks und der baulichen Anlagen,
  • das Alter mit Bezug, abgeleitet aus der Restnutzungsdauer als Anteil von der Gesamtnutzungsdauer in Jahren, die das jeweilige Gebäude bzw. die bauliche Anlage noch wirtschaftlich genutzt werden kann.
Beispiele für Liegenschaftszinssätze

Beispiele für Liegenschaftszinssätze liefern neben den Informationen der Gutachterausschüsse auch Aussagen in der Literatur und in speziell verfassten Grundstücksmarktberichten in den Bundesländern sowie von Institutionen und Verbänden der Immobilienwirtschaft.

Im Grundstücksmarktbericht des Freistaates Sachsen 2021 (Zeitraum bis Stichtag: 31. Dezember 2020) wurden ca. 54.000 Kaufverträge ausgewertet. Unter Tz. 7.1.1 werden beispielsweise spezielle Aussagen über Liegenschaftszinssätze zu "Wohnen 2020" für verschiedene Einzugsgebiete des Freistaates getroffen. Die Sätze schwankten stark einerseits zu Zweifamilienhäusern zwischen Großstädten und ländlichen Gebieten von 0,6 bis 2,8 % sowie zum anderen zu Wohn- und Geschäftshäusern zwischen von 0,4 bis 6,3 %.

Allgemein können als Beispiele für Liegenschaftszinssätze herangezogen werden bei:

  • freistehenden Ein-/Zweifamilienhäusern ca. 1,5 bis 2,8 %,
  • Doppelhaushälften und Reihenhäusern ca. 2,0 bis 3,0 %,
  • Mehrfamilienhäusern ca. 2,5 bis 4,5 %,
  • Wohn- und Geschäftshäusern ca. 3,0 bis 6,0 %,
  • Weiterverkauf Wohnungseigentum ca. 2,5 bis 5,0 %,
  • öffentliche Gebäude ca. 5,0 bis 7,0 %,
  • Industrieobjekte, Produktionshallen u. a. ca. 6,5 bis 8,2 %,
  • Einrichtungen für Freizeit und Sport ca. 6,8 bis 8,5 %.

Da die Sätze nach örtlichen Aspekten durchaus sehr stark abweichen können, sind verallgemeinerte Daten für eine konkrete Wertermittlung nicht geeignet. Hierfür sind die Marktdaten der örtlichen Gutachterausschüsse heranzuziehen.

Liegenschaftszinssätze für steuerliche Bewertungen

Für die Bewertung von Grundstücken in Verbindung mit steuerlichen Berechnungen und Feststellungen wie für die Grundsteuer, Grunderwerbsteuer, Erbschaftsteuer werden jeweils spezifisch Liegenschaftszinssätze im Bewertungsgesetz (BewG vom 1. Februar 1991, zuletzt geändert vom 16. Juli 2021 in BGBl. I, S. 2931) angeführt, so speziell in den §§ 188 und 256.

Ihr Ansprechpartner
André Schiffer

Zertifizierter Sachverständiger für Immobilienbewertung (DIAZert) DIN EN ISO/IEC 17024

Diplom-Sachverständiger (DIA)
für die Bewertung von bebauten und unbebauten Grundstücken, für Mieten und Pachten

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