Baumarkt bewerten: Wertermittlung von Baumärkten & Gartencentern

Ob Sie eine Baumarktimmobilie verkaufen, finanzieren oder erben, die Frage nach dem tatsächlichen Verkehrswert stellt sich früher oder später. Doch die Bewertung von Baumärkten und Gartencentern gehört zu den anspruchsvollsten Disziplinen der Gewerbeimmobilienbewertung. Anders als bei klassischen Bürogebäuden oder Wohnimmobilien spielen hier hochspezialisierte Faktoren eine Rolle: Von der Flächenproduktivität über die Mieterbonität bis hin zu baulichen Besonderheiten wie stützenfreien Verkaufsflächen und überdachten Anlieferzonen.

Hinzu kommt die zunehmende Marktkonsolidierung – während kleinere Ketten vom Markt verschwinden, investieren etablierte Filialisten in moderne Großflächenkonzepte und kompakte Stadtformate. Für Eigentümer und Investoren bedeutet dies: Nur wer die spezifischen Bewertungskriterien kennt, kann den Marktwert seiner Immobilie realistisch einschätzen und fundierte Entscheidungen treffen. Dieser Artikel gibt Ihnen einen detaillierten Einblick in die professionelle Wertermittlung von Baumarkt- und Gartencenterimmobilien.

In diesem Artikel:

Bewertungsverfahren für Baumärkte und Gartencenter

Die Bewertung von Baumärkten erfolgt nach den Vorgaben der Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV) und berücksichtigt die Besonderheiten von Handelsimmobilien. Aufgrund der charakteristischen Nutzung als ertragsorientierte Gewerbeimmobilie kommt überwiegend das Ertragswertverfahren zur Anwendung.

Das Ertragswertverfahren ermittelt den Verkehrswert auf Basis der nachhaltig erzielbaren Mieterträge. Dabei werden die Jahresrohmiete, Bewirtschaftungskosten und der Liegenschaftszinssatz berücksichtigt. Die Berechnung erfolgt nach der Formel:

Ertragswert = Bodenwert + Gebäudeertragswert

Bei langfristig verpachteten Baumarktimmobilien wird häufig das Pachtwertverfahren angewandt. Dieses Verfahren ist besonders geeignet, wenn der Pächter ein hohes Maß an Investitionen in die Immobilie getätigt hat und ein langfristiger Pachtvertrag mit Verlängerungsoptionen besteht.

Das Sachwertverfahren spielt bei Baumärkten eine untergeordnete Rolle, da der Ertragswert in der Regel maßgeblich für den Verkehrswert ist. Es kann jedoch ergänzend zur Plausibilisierung herangezogen werden.

Betreiberkonzepte und ihre Bedeutung für die Bewertung

Der deutsche Baumarktsektor hat sich in den vergangenen Jahren stark konsolidiert. Nach Marktbereinigungen und Insolvenzen einzelner Ketten existieren heute etwa 3.000 bis 3.200 Standorte von Baumärkten und Gartencentern in Deutschland. Für die Immobilienbewertung ist das zugrunde liegende Betreiberkonzept von erheblicher Bedeutung, da es unmittelbar die Bonität und Nachhaltigkeit der Mieteinnahmen beeinflusst.

Die drei Hauptbetreibermodelle

Filialisten betreiben Baumärkte als Teil einer unternehmenseigenen Kette. Zu den marktführenden Filialisten zählen Bauhaus, Hornbach und Toom. Der Vorteil aus Vermietersicht liegt in der zentralen Konzernbonität und der langfristigen Planungssicherheit. Bei der Bewertung wirkt sich dies positiv auf den Liegenschaftszinssatz aus.

Franchise-Systeme wie OBI kombinieren zentrale Markenführung mit dezentraler wirtschaftlicher Verantwortung. Der Franchise-Nehmer führt den Standort eigenverantwortlich, was ein höheres unternehmerisches Risiko bedeutet. Bei der Bewertung muss die individuelle Bonität des Franchise-Nehmers zusätzlich zur Systemzugehörigkeit geprüft werden.

Verbundsysteme wie die Zeus-Gruppe (Hagebaumarkt, Werkers) basieren auf Kooperationen rechtlich selbständiger Händler. Die Bewertung erfordert hier eine besonders sorgfältige Einzelfallprüfung, da die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit stark vom lokalen Betreiber abhängt.

Standortfaktoren bei der Baumarktbewertung

Die Standortqualität ist bei Baumärkten von überragender Bedeutung für den Verkehrswert. Moderne Baumarktkonzepte verfolgen dabei zwei unterschiedliche Strategien.

Großflächenkonzepte auf der grünen Wiese

Baumärkte mit Verkaufsflächen über 10.000 m² bevorzugen periphere Lagen mit hervorragender Verkehrsanbindung. Diese Standorte zeichnen sich aus durch:

  • Grundstücksflächen von mindestens 25.000 bis 35.000 m²
  • Direkte Anbindung an Hauptverkehrsstraßen oder Autobahnanschlüsse
  • Ausreichende Parkplatzkapazitäten (mindestens 1 Stellplatz pro 25 m² Verkaufsfläche)
  • Sichtbarkeit und Erkennbarkeit aus größerer Entfernung
  • Einzugsgebiete mit mindestens 100.000 Einwohnern im Umkreis von 15 km

Innerstädtische Kompaktformate

Kleinere Baumärkte mit 5.000 bis 8.000 m² Verkaufsfläche positionieren sich zunehmend in innerstädtischen Lagen oder verdichteten Wohngebieten. Hier gelten abweichende Anforderungen:

  • Grundstücksflächen ab 12.000 m²
  • Lage an frequentierten Hauptstraßen mit ÖPNV-Anbindung
  • Integration in bestehende Einzelhandelsstrukturen oder Fachmarktzentren
  • Höhere Flächenproduktivität aufgrund der urbanen Lage

Bei der Standortanalyse sollte auch die Wettbewerbssituation im Einzugsgebiet berücksichtigt werden. Ein bereits übersättigter Markt kann die Ertragskraft erheblich beeinträchtigen.

Zentrale Bewertungsparameter im Detail

Neben Standort und Betreiberkonzept fließen diverse objektspezifische und vertragliche Faktoren in die Wertermittlung ein.

Bauliche und technische Faktoren

Die bauliche Qualität beeinflusst sowohl die Nutzbarkeit als auch die Bewirtschaftungskosten:

  • Gebäudezuschnitt: Stützenfreie Verkaufsflächen mit flexibler Regalanordnung erhöhen die Attraktivität
  • Deckenhöhe: Mindestens 4 bis 5 Meter für optimale Warenpräsentation
  • Anlieferung: Separate, überdachte Anlieferzonen mit ausreichender Manövrierfläche für LKW
  • Technische Ausstattung: Moderne Heizungs-, Lüftungs- und Beleuchtungssysteme beeinflussen die Nebenkosten
  • Außenflächen: Gartencenter benötigen zusätzliche Freiflächen für Pflanzen und Saisonware

Restnutzungsdauer und Instandhaltung

Für Baumarktimmobilien wird üblicherweise eine wirtschaftliche Gesamtnutzungsdauer von 30 bis 40 Jahren angesetzt, abhängig vom baulichen Standard. Die verbleibende Restnutzungsdauer ergibt sich aus dem Baujahr, durchgeführten Modernisierungen und dem aktuellen Bauzustand.

Instandhaltungskosten werden typischerweise mit 0,8 bis 1,2 Prozent des Gebäudeertragswerts p.a. kalkuliert. Bei älteren Objekten oder intensiver Nutzung können höhere Ansätze erforderlich sein.

Mietvertragliche Besonderheiten

Die Qualität und Ausgestaltung des Mietvertrags hat unmittelbare Auswirkungen auf den Verkehrswert der Immobilie.

Bonität des Mieters

Die Kreditwürdigkeit des Betreibers ist ein Kernkriterium. Bei Filialisten großer Ketten kann oft auf veröffentlichte Bonitätsinformationen zurückgegriffen werden. Bei kleineren Betreibern sind Jahresabschlüsse, Selbstauskünfte und Wirtschaftsauskünfte erforderlich.

Vertragslaufzeit und Kündigungsfristen

Für Baumarktimmobilien sind Mietvertragslaufzeiten von 10 bis 20 Jahren üblich. Längere Bindungen erhöhen die Planungssicherheit und wirken sich positiv auf den Verkehrswert aus. Verlängerungsoptionen zugunsten des Mieters sind marktüblich und werden bei der Bewertung berücksichtigt.

Kurze Restlaufzeiten unter 5 Jahren können zu erheblichen Risikoabschlägen führen, da die Nachvermietung von Baumarktflächen aufgrund der Spezialnutzung schwierig sein kann.

Mietzinsgestaltung

Die Höhe und Ausgestaltung des Mietzinses ist zentraler Bewertungsfaktor:

  • Kaltmiete: Typischerweise zwischen 4 und 8 Euro pro m² monatlich für großflächige periphere Standorte, abhängig von Lage und Ausstattung. In innerstädtischen Top-Lagen können die Mieten für Kompaktformate auch über 8 Euro pro m² liegen.
  • Indexierung: Wertsicherungsklauseln auf Basis des Verbraucherpreisindex sind Standard
  • Umsatzmiete: Bei Franchise-Nehmern teilweise zusätzliche umsatzabhängige Komponenten
  • Verhältnis zur Marktmiete: Liegt die Vertragsmiete deutlich über der erzielbaren Marktmiete, sind Abschläge erforderlich

Nebenkosten und Betriebskosten

Die Vereinbarung zu Nebenkosten folgt meist dem Prinzip der doppelten Nettomiete. Der Mieter trägt sämtliche Bewirtschaftungskosten inklusive:

  • Grundsteuer
  • Versicherungen
  • Verkehrssicherungspflichten
  • Instandhaltung der Außenanlagen

Bei der Bewertung werden Verwaltungskosten mit 2 bis 4 Prozent der Jahresrohmiete und ein Mietausfallwagnis von 2 bis 5 Prozent angesetzt.

Liegenschaftszinssatz bei Baumarktimmobilien

Der Liegenschaftszinssatz ist eine zentrale Größe im Ertragswertverfahren und spiegelt die Marktrendite sowie das Investitionsrisiko wider. Für Baumarktimmobilien liegt der Liegenschaftszinssatz marktüblich zwischen 6,5 und 8,0 Prozent. Die genaue Einordnung hängt von mehreren Faktoren ab:

  • Bonität des Mieters: Etablierte Filialisten mit hoher Konzernbonität rechtfertigen niedrigere Zinssätze (6,5 bis 7,0 Prozent)
  • Standortqualität: Erstklassige Lagen mit starkem Einzugsgebiet reduzieren das Risiko
  • Restlaufzeit des Mietvertrags: Längere Bindungen stabilisieren den Zinssatz
  • Spezialisierungsgrad: Stark auf Baumarktnutzung zugeschnittene Immobilien weisen höhere Zinssätze auf (7,5 bis 8,5 Prozent)

Beispielrechnung: Ertragswertermittlung eines Baumarkts

Ein praktisches Beispiel verdeutlicht die Bewertungssystematik:

Objektdaten:

  • Verkaufsfläche: 8.500 m²
  • Nebenflächen: 2.000 m²
  • Grundstücksfläche: 28.000 m²
  • Baujahr: 2008
  • Mieter: etablierter Filialist
  • Mietvertragslaufzeit: noch 12 Jahre

Finanzielle Parameter:

  • Kaltmiete: 5,80 Euro/m² monatlich
  • Jahresrohmiete: (8.500 m² + 2.000 m²) × 5,80 € × 12 = 730.800 Euro
  • Bewirtschaftungskosten: 18 Prozent der Jahresrohmiete = 131.544 Euro
  • Jahresreinertrag Gebäude: 599.256 Euro
  • Liegenschaftszinssatz: 7,0 Prozent (marktüblich für etablierte Filialisten in guter Lage)
  • Bodenwert: 28.000 m² × 180 Euro/m² = 5.040.000 Euro

Berechnung:

  • Bodenwertverzinsung: 5.040.000 Euro × 7,0 Prozent = 352.800 Euro
  • Gebäudereinertrag: 599.256 Euro - 352.800 Euro = 246.456 Euro
  • Vervielfältiger (bei 7,0 Prozent Zins, 22 Jahre Restnutzungsdauer): 11,04
  • Gebäudeertragswert: 246.456 Euro × 11,04 = 2.720.874 Euro
  • Verkehrswert: 5.040.000 Euro + 2.720.874 Euro = 7.760.874 Euro

Diese Beispielrechnung dient der Veranschaulichung. Tatsächliche Bewertungen erfordern die Würdigung weiterer Einzelfallaspekte durch einen zertifizierten Sachverständigen.

Besondere Risiken und Werttreiber

Bei der Bewertung von Baumarktimmobilien sind spezifische Risikofaktoren zu berücksichtigen:

Werttreiber:

  • Langfristige Mietverträge mit bonitätsstarken Mietern
  • Attraktive Alleinstellungsmerkmale am Standort
  • Moderne Gebäudetechnik und Energieeffizienz
  • Flexible Nutzungsmöglichkeiten auch für andere Einzelhandelskonzepte

Risikofaktoren:

  • Starke Spezialisierung auf Baumarktnutzung erschwert Nachvermietung
  • Veränderte Konsumgewohnheiten durch Online-Handel
  • Hoher Flächenbedarf und damit begrenzte alternative Nutzungen
  • Standortabhängigkeit von regionaler Bevölkerungs- und Wirtschaftsentwicklung

Grunddienstbarkeiten bei Baumarktimmobilien

Betreiber von Baumärkten sichern ihre Investitionen häufig durch Eintragung einer Grunddienstbarkeit im Grundbuch ab. Dies kann beispielsweise ein Vorkaufsrecht, ein Rückkaufsrecht oder Beschränkungen der Vermietung an Wettbewerber umfassen. Solche Belastungen sind bei der Verkehrswertermittlung zu berücksichtigen und können den Verkehrswert sowohl positiv als auch negativ beeinflussen.

Professionelle Gutachten für Baumarkt-Immobilien

Die Bewertung von Baumärkten und Gartencentern erfordert fundierte Kenntnisse im Gewerbeimmobiliensektor sowie Erfahrung mit Handelsimmobilien. Ein qualifiziertes Verkehrswertgutachten nach § 194 BauGB berücksichtigt alle wertrelevanten Faktoren systematisch und nachvollziehbar.

SCHIFFER Immobiliensachverständige erstellt als zertifizierter Sachverständiger (ISO/IEC 17024, TEGoVA/REV) gerichtsfeste Gutachten für Baumärkte, Gartencenter und weitere Gewerbeimmobilien. Unsere öffentlich bestellten und vereidigten Gutachter verfügen über langjährige Erfahrung in der Bewertung von Spezialimmobilien.

Zusammenfassend: Komplexe Bewertung erfordert Expertise

Die Wertermittlung von Baumärkten und Gartencentern unterscheidet sich erheblich von der Bewertung klassischer Wohn- oder Büroimmobilien. Standortfaktoren, Betreiberkonzepte, Mietvertragsinhalte und bauliche Besonderheiten müssen in ihrer Gesamtheit analysiert und bewertet werden. Das Ertragswertverfahren oder Pachtwertverfahren bildet dabei die methodische Grundlage.

Für Eigentümer, Investoren, Banken oder auch im Rahmen von Erbauseinandersetzungen ist ein professionelles Verkehrswertgutachten durch einen zertifizierten Sachverständigen unverzichtbar. Nur so lässt sich der tatsächliche Marktwert fundiert ermitteln und rechtssicher dokumentieren.

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