Gewerbeimmobilien bewerten – Methoden & wichtige Faktoren

  • Definition: Gewerbeimmobilien zu bewerten erfordert spezielle Kenntnisse, da gewerblich genutzte Immobilien häufig besondere Eigenschaften und andere Bewertungskriterien haben als Wohnimmobilien – der Fokus liegt meist auf Ertragspotenzialen und Möglichkeiten der Folgenutzung.
  • Methoden: Die drei Wertermittlungsverfahren sind das Ertragswertverfahren, das Sachwertverfahren und das Vergleichswertverfahren, wobei das Ertragswertverfahren bei Gewerbeimmobilien meist dominiert.
  • Besonderheiten: Mietverträge, Lage, Nutzungsart, technische Ausstattung und Marktzyklen beeinflussen den Wert erheblich – eine professionelle Bewertung durch zertifizierte Sachverständige ist daher unerlässlich.
In diesem Artikel:

Die Bewertung von Gewerbeimmobilien unterscheidet sich grundlegend von der Bewertung privater Wohnimmobilien. Während bei Wohnimmobilien oft emotionale Faktoren eine Rolle spielen und so den Markt prägen, steht bei Gewerbeimmobilien die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit im Vordergrund. Für Investoren, Banken, Versicherungen und Unternehmen ist eine präzise Wertermittlung entscheidend für fundierte Investitionsentscheidungen.

Was sind Gewerbeimmobilien?

Der Begriff der Gewerbeimmobilien umfasst alle Immobilien, die in der Regel der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung und einer gewerblichen Nutzung dienen. Dazu gehören:

  • Bürogebäude und Bürokomplexe
  • Einzelhandelsimmobilien (Geschäfte, Einkaufszentren)
  • Industrieimmobilien (Produktionshallen, Lagerhallen)
  • Logistikimmobilien (Distributionszentren, Fulfillment-Center)
  • Hotels und Gastronomie
  • Gesundheitsimmobilien (Praxen, Kliniken)
  • Spezialimmobilien (Rechenzentren, Parkhäuser)
  • Aber auch Sonderimmobilien, wie etwa Rennstrecken oder Kläranlagen

Gemischt genutzte Immobilien mit gewerblichen und privaten Anteilen erfordern häufig eine getrennte Bewertung der verschiedenen Nutzungseinheiten, sie stellen insoweit nochmal einen Sonderfall dar.

Die drei Hauptbewertungsverfahren für Gewerbeimmobilien

1. Ertragswertverfahren – Der Quasi-Standard bei Gewerbeimmobilien

Das Ertragswertverfahren ist bei der Bewertung von Gewerbeimmobilien das häufigste Verfahren, da es den Fokus auf die Ertragserwartung legt. Hier wird der Verkehrswert aus den marktüblich erzielbaren Mieteinnahmen abgeleitet.

Berechnung des Ertragswerts:

  • Jahresrohertrag: Summe aller erzielbaren Mieten und Pachten
  • Bewirtschaftungskosten: Verwaltung, Instandhaltung, Mietausfall
  • Jahresreinertrag: Rohertrag minus Bewirtschaftungskosten
  • Kapitalisierung: Reinertrag wird mit dem Liegenschaftszinssatz kapitalisiert

Vereinfachtes Beispiel: Ein Bürogebäude erzielt 120.000 Euro Jahresrohertrag. Nach Abzug der Bewirtschaftungskosten (bspw. 20.000 Euro) verbleibt ein Reinertrag von 100.000 Euro. Bei einem Liegenschaftszinssatz von 4,0% ergibt sich ein Ertragswert von 2,5 Millionen Euro. Bei alledem ist noch der Bodenwert zu berücksichtigen, der im vorgenannten Beispiel aus Vereinfachungsgründen unbeachtet blieb.

2. Sachwertverfahren – Fokus auf Bausubstanz und Ausstattung

Das Sachwertverfahren ermittelt den Wert über die Herstellungskosten der baulichen Anlagen. Es wird häufig ergänzend zum Ertragswertverfahren eingesetzt oder auch hilfsweise bei Spezialimmobilien ohne Vergleichsmarkt.

Komponenten:

  • Bodenwert: Ermittlung über Bodenrichtwerte oder Vergleichspreise
  • Gebäudewert: Herstellungskosten minus Alterswertminderung
  • Marktanpassung: Sachwertfaktor zur Marktanpassung

3. Vergleichswertverfahren – Marktorientierte Bewertung

Das Vergleichswertverfahren basiert auf Kaufpreisen vergleichbarer Gewerbeimmobilien. Aufgrund der Individualität ist es oft schwer anwendbar, liefert aber wertvolle Marktsignale.

Vereinfacht kann man sich das Vergleichswertverfahren für Gewerbeimmobilien so vorstellen, dass wir Sachverständige Auskünfte aus der Kaufpreissammlung der Gutachterausschüsse anfordern, die Transaktionen möglichst gut vergleichbarer Immobilien beinhalten. Wenn die zur Auswertung stehenden Verkaufsfälle in zeitlicher Hinsicht und mit Blick auf wertrelevante Eigenschaften (wie etwa Mietfläche, Grundstücksgröße, Lagequalität, Nutzungsart) gut zusammenpassen oder anpassbar sind, lässt sich unter Berücksichtigung statistischer Methoden daraus ein Vergleichswert bilden, der darauf schließen lässt, wie die bewertungsgegenständliche Gewerbe- oder Industrieimmobilie vom Markt gehandelt wird. Somit ergibt sich der Marktwert bzw. Verkehrswert einer Gewerbeimmobilie.

Besonderheiten bei der Bewertung von Gewerbeimmobilien

Mietvertragssituation als Wertfaktor

Die bestehenden Mietverträge haben enormen Einfluss auf den Immobilienwert:

  • Mietvertragslaufzeiten: Lange Laufzeiten erhöhen die Planungssicherheit, können aber auch nachteilig sein - etwa wenn die vertraglich vereinbarten Mieten unter den marktüblichen Mieten liegen. Hier entscheidet der Einzelfall.
  • Qualität der Mieter: Die Bonität und Branche der Mieter einer Immobilie sind wesentliche Merkmale, die den Wert beeinflussen können

Lage und Standortfaktoren

Bei Gewerbeimmobilien sind spezifische Lagefaktoren entscheidend:

Büroimmobilien: ÖPNV-Anbindung, Parkmöglichkeiten, Repräsentativität
Einzelhandel: Kundenfrequenz, Sichtbarkeit, Konkurrenzsituation
Logistik: Autobahnanbindung, Erweiterungsmöglichkeiten

Technische Ausstattung

Moderne Gewerbeimmobilien benötigen zeitgemäße Ausstattung:

  • IT-Infrastruktur und Digitaltechnik
  • Energieeffiziente Klimatechnik
  • Sicherheitstechnik und Zugangskontrollen
  • Nachhaltigkeitszertifizierungen (ESG-Aspekte)

Rechtliche und steuerliche Aspekte

Bewertungsanlässe für Gewerbeimmobilien

  • Kauf und Verkauf: Due Diligence und Preisfindung:
    • Vor dem Kauf oder Verkauf einer Gewerbeimmobilie ist eine präzise Bewertung unerlässlich. Sie dient als Grundlage für die Due Diligence (eine sorgfältige Prüfung), bei der potenzielle Risiken wie Altlasten oder rechtliche Mängel aufgedeckt werden. Die Bewertung hilft, einen fairen und marktgerechten Preis zu verhandeln und so die Investitionsentscheidung zu sichern.

  • Finanzierung: Beleihungswertermittlung für Banken:
    • Banken benötigen eine fundierte Immobilienbewertung, um das Risiko eines Kredits einzuschätzen. Der Beleihungswert, der oft niedriger als der Verkehrswert ist, dient als konservative Absicherung für die Bank. Er wird nach strengen, gesetzlich festgelegten Kriterien (wie der BelWertV) ermittelt und stellt sicher, dass der Kredit auch bei Marktschwankungen durch die Immobilie gedeckt ist.

  • Steuerliche Bewertung: Grundsteuer, Erbschaft, Schenkung:
    • Für steuerliche Zwecke, wie die Berechnung der Grundsteuer oder die Ermittlung des Werts bei einer Erbschaft oder Schenkung, ist eine rechtssichere Immobilienbewertung erforderlich. Diese Bewertungen müssen den spezifischen Vorgaben der Finanzämter entsprechen und bilden die Grundlage für die korrekte Besteuerung.

  • Versicherung: Versicherungswertermittlung:
    • Der Wert einer Immobilie ist entscheidend für die Höhe der Versicherungssumme. Eine professionelle Bewertung hilft, Unter- oder Überversicherungen zu vermeiden. Sie berücksichtigt den Wiederaufbauwert der Immobilie, also die Kosten, die entstehen würden, um sie im Schadensfall neu zu errichten, was besonders bei gewerblichen Objekten mit Spezialausstattung relevant ist.

  • Rechtsstreitigkeiten: Gerichtsgutachten:
    • Im Falle von Scheidungen, Erbstreitigkeiten oder Enteignungen wird eine neutrale, unabhängige Immobilienbewertung benötigt. Gerichtsgutachten werden von öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen erstellt und dienen Gerichten als Grundlage für eine gerechte Entscheidungsfindung. Sie sind rechtlich bindend und untermauern die jeweilige Position mit fundierten Fakten.

Bewertungsstichtag und Aktualität

Wichtig: Gewerbeimmobilienmärkte ändern sich schnell. Eine Bewertung sollte nicht älter als 6-12 Monate sein, je nach Marktdynamik und Verwendungszweck. Insbesondere, wenn ein Verkehrswertgutachten für eine Gewerbeimmobilie dem Finanzamt vorgelegt wird und / oder zu steuerlichen Zwecken herangezogen wird, ist die Aktualität entscheidend.

Herausforderungen und Qualitätsmerkmale

Häufige Bewertungsfehler vermeiden

  • Veraltete Vergleichsdaten: Nutzung überholter Marktwerte:
    • Ein häufiger Fehler ist die Verwendung von veralteten Kaufpreisen oder Mietdaten. Der Gewerbeimmobilienmarkt ist dynamisch, und Preise können sich schnell ändern. Eine professionelle Bewertung basiert auf den aktuellsten Daten aus der Kaufpreissammlung der Gutachterausschüsse und berücksichtigt die jüngsten Markttrends, um ein realistisches Ergebnis zu erzielen.

  • Uneinheitliche Flächenstandards: Unterschiedliche Messungen:
    • Es gibt verschiedene Normen zur Flächenberechnung (z.B. GIF, DIN 277). Werden diese nicht korrekt angewendet, kann es zu falschen Annahmen über die vermietbare Fläche kommen. Ein erfahrener Sachverständiger stellt sicher, dass alle Flächenangaben transparent und nach den relevanten Standards ermittelt und dokumentiert werden, um spätere Diskrepanzen zu vermeiden.

  • Übersehen von Risiken: Umwelt- oder Marktrisiken nicht berücksichtigt:
    • Gewerbeimmobilien können spezifische Risiken bergen, die ihren Wert mindern. Dazu gehören Umweltrisiken wie Altlasten im Boden oder die Nähe zu Industrieanlagen sowie Marktrisiken wie Leerstand oder eine starke Konkurrenz in der Region. Ein qualifiziertes Gutachten bewertet diese Risiken systematisch und bezieht sie in die Wertermittlung mit ein.

  • Pauschalansätze: Individuelle Eigenschaften nicht gewürdigt:
    • Jede Gewerbeimmobilie ist einzigartig. Die blinde Anwendung von Pauschalwerten oder Durchschnittsmieten führt zu ungenauen Ergebnissen. Eine professionelle Bewertung berücksichtigt individuelle Faktoren wie die Qualität der Bausubstanz, die spezifische technische Ausstattung, die Bonität der Mieter und die Mikro-Lage, um ein maßgeschneidertes und präzises Ergebnis zu liefern.

Qualitätsmerkmale professioneller Bewertung

Eine professionelle Bewertung von Gewerbeimmobilien sollte enthalten:

  • Umfassende Marktanalyse der Region und Branche
  • Detaillierte Objektanalyse mit technischer Begutachtung
  • Fundierte Miet- und Kostenansätze basierend auf Marktdaten
  • Plausibilitätsprüfung durch mehrere Bewertungsverfahren

Warum eine professionelle Bewertung unverzichtbar ist

Die Bewertung von Gewerbeimmobilien ist eine hochspezialisierte Aufgabe, die fundiertes Markt- und Immobilienwissen erfordert. Die Komplexität der verschiedenen Nutzungsarten, die Vielzahl der Einflussfaktoren und die Bedeutung für Investitionsentscheidungen machen eine professionelle Bewertung durch zertifizierte Sachverständige unverzichtbar.

Die Kernaspekte zusammengefasst:

  • Das Ertragswertverfahren steht häufig im Fokus der Bewertung
  • Mietverträge und Lage sind entscheidende Wertfaktoren
  • Die Technische Ausstattung ist wichtig
  • Nachhaltigkeitskriterien (ESG) werden immer wichtiger
  • Marktkenntnis ist für präzise Bewertungen unerlässlich

Bei SCHIFFER Immobiliensachverständige verfügen unsere zertifizierten Sachverständigen über umfassende Erfahrung in der Bewertung aller Arten von Gewerbeimmobilien. Von Bürokomplexen über Einzelhandelsimmobilien bis hin zu spezialisierten Industrieanlagen – wir erstellen gerichtsfeste Verkehrswertgutachten nach höchsten Qualitätsstandards.

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Häufig gestellte Fragen - Gewerbeimmobilie bewerten

Was kostet es, eine Gewerbeimmobilie bewerten zu lassen?

Die Kosten für eine professionelle Bewertung richten sich nach dem Immobilienwert und dem Aufwand. Bei der Bewertung einer Gewerbeimmobilie kostet ein Verkehrswertgutachten als Faustformel um 0,25% des Verkehrswertes, je nach Komplexität der Immobilie. Marktwerteinschätzungen (Value Reports) erstellen wir zu günstigen Pauschalhonoraren. Gerade bei komplexeren Sachverhalten erstellen wir Ihnen gerne Angebote zum Pauschalhonorar - so haben beide Seiten Planungssicherheit. Sprechen Sie uns einfach an!

Wie lange dauert die Bewertung einer Gewerbeimmobilie?

Eine umfassende Bewertung benötigt in der Regel 2-4 Wochen ab Vorlage aller notwendigen Unterlagen und nach Ortstermin. Bei komplexen Spezialimmobilien oder umfangreichen Recherchen kann es auch länger dauern. Die Zeit ist nötig für Marktanalysen, Ortstermin und detaillierte Berechnungen.

Welche Unterlagen brauche ich für die Bewertung?

Für eine professionelle Bewertung benötigen Sie: Grundbuchauszug, Baugenehmigungen, Grundrisse, aktuelle Mietverträge, Nebenkostenabrechnungen der letzten 3 Jahre, Energieausweis und wenn vorhanden, vorhandene Gutachten oder Bewertungen. Es kommt auf den Einzelfall an.

Kann ich meine Gewerbeimmobilie selbst bewerten?

Eine grobe Einschätzung ist möglich, aber für rechtssichere Zwecke wie Verkauf, Finanzierung oder steuerliche Belange ist ein zertifizierter Sachverständiger erforderlich. Bei einer Gewerbeimmobilie spielen zu viele komplexe Faktoren eine Rolle, die eine eigene Bewertung nahezu unmöglich machen.

Wann ist eine neue Bewertung erforderlich?

Gewerbeimmobilienmärkte ändern sich schnell. Eine Bewertung sollte nicht älter als 6-12 Monate sein. Bei starken Marktveränderungen, Mieterwechseln oder baulichen Veränderungen ist eine Neubewertung sinnvoll.

Was ist der Unterschied zwischen Verkehrswert und Beleihungswert?

Der Verkehrswert im Sinne des § 194 BauGB entspricht dem am Markt erzielbaren Preis, er wird nach der ImmoWertV ermittelt. Der Beleihungswert liegt meist 10-20% darunter und dient Banken als vorsichtige Bewertungsgrundlage für Kredite, er wird nach der BelWertV ermittelt. Beide Werte werden für verschiedene Zwecke nach unterschiedlichen Maßstäben ermittelt und sind nicht miteinander vergleichbar.

Welches Bewertungsverfahren wird bei meiner Gewerbeimmobilie angewendet?

Das hängt von der Immobilienart ab. Bei vermieteten Objekten dominiert das Ertragswertverfahren. Bei Spezialimmobilien ohne Vergleichsmarkt wird oft das Sachwertverfahren verwendet. Meist werden mehrere Verfahren kombiniert.

Wie wirken sich langfristige Mietverträge auf den Wert aus?

Langfristige Mietverträge mit solventen Mietern erhöhen die Planungssicherheit und damit den Wert. Allerdings können übermarktliche Mieten bei Mieterwechsel zu Wertkorrekturen führen. Die Mietvertragssituation ist ein zentraler Faktor beim Gewerbeimmobilie bewerten.

Sind Online-Bewertungstools für Gewerbeimmobilien zuverlässig?

Online-Tools können nur grobe Richtwerte liefern. Gewerbeimmobilien sind zu individuell und komplex für automatisierte Bewertungen. Für rechtssichere Zwecke ist immer ein zertifizierter Sachverständiger erforderlich.

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