Geerbte Immobilie verkaufen – Fristen, Steuern & 10-Jahres-Regel verstehen

Wer ein Haus oder eine Wohnung erbt, steht vor einer folgenschweren Entscheidung: Selbst einziehen, vermieten oder verkaufen? Gerade beim Verkauf einer geerbten Immobilie lauern erhebliche steuerliche Risiken, die viele Erben unterschätzen. Denn neben der Erbschaftssteuer kann eine zweite Steuerfalle zuschlagen: die Spekulationssteuer. Diese wird fällig, wenn der Erblasser die Immobilie vor weniger als zehn Jahren erworben hat und sie vermietet war. Der Gewinn aus dem Verkauf wird dann mit Ihrem persönlichen Einkommensteuersatz belastet – und das kann je nach Verkaufspreis schnell fünfstellige Beträge ausmachen.

Doch es gibt legale Wege, diese Steuer vollständig zu vermeiden: durch geschickte Nutzung der Dreijahresfrist bei Eigennutzung oder durch strategisches Timing bis zum Ablauf der Zehnjahresfrist. Besonders komplex wird die Situation, wenn mehrere Erben eine Erbengemeinschaft bilden, hier sind einstimmige Beschlüsse erforderlich, und ohne professionelle Bewertung drohen kostspielige Konflikte. Ein aktuelles Verkehrswertgutachten spart nicht nur bei der Erbschaftssteuer, sondern schafft auch eine faire Verhandlungsbasis zwischen den Erben. Dieser Artikel zeigt Ihnen, wie Sie beim Verkauf eines geerbten Hauses rechtssicher vorgehen, welche Fristen Sie unbedingt beachten müssen und wie Sie Steuerfallen geschickt umgehen.

In diesem Artikel:

Checkliste: Diese Schritte sind vor dem Verkauf notwendig

Erbverhältnisse klären

  • Sind Sie Alleinerbe oder Teil einer Erbengemeinschaft?
  • Liegt ein Testament vor?
  • Bei Erbengemeinschaft: Besteht Einigkeit über den Verkauf?

Grundbuch prüfen

Wichtiger Spartipp: Die Berichtigung des Grundbucheintrags innerhalb von zwei Jahren nach dem Erbfall ist gebührenfrei. Danach fallen Notar- und Gerichtskosten in voller Höhe an. Diese Frist sollten Sie unbedingt nutzen.

Steuerliche Situation analysieren

  • Kaufdatum der Immobilie durch den Erblasser ermitteln
  • Nutzungsart prüfen (Eigennutzung oder Vermietung)
  • Spekulationsfrist berechnen: Liegen zehn Jahre zwischen Erwerb und Verkauf?

Immobilienbewertung durchführen

Die steuerliche Bewertung durch das Finanzamt liegt häufig über dem tatsächlichen Verkehrswert. Ein professionelles Gutachten schafft hier Klarheit und Einsparpotenzial.

Spekulationssteuer: Wann Sie zahlen müssen

Beim Verkauf einer geerbten Immobilie kann neben der Erbschaftssteuer eine weitere Steuerlast entstehen: die Spekulationssteuer gemäß § 23 Einkommensteuergesetz (EstG).

Nutzungsart und Besitzdauer entscheiden

Eigennutzung durch den Erblasser: Keine Spekulationssteuer, unabhängig von der Besitzdauer

Vermietung: Spekulationssteuer fällt an, wenn die Zehnjahresfrist nicht erfüllt ist

Wichtig: Die Zehnjahresfrist beginnt mit dem notariellen Kaufvertrag des Erblassers, nicht mit dem Erbzeitpunkt. Sie als Erbe treten in die Besitzzeit des Verstorbenen ein.

Beispiel zur Spekulationsfrist

Ihr Vater kaufte eine vermietete Wohnung am 15. März 2016 und verstarb im August 2024. Sie verkaufen im Januar 2025. Da zwischen Kauf und Verkauf weniger als zehn Jahre liegen, fällt Spekulationssteuer an. Die Frist wäre erst am 16. März 2026 erfüllt.

Tipp: Wenn möglich, warten Sie mit dem Verkauf bis zur vollständigen Erfüllung der Zehnjahresfrist. 

Berechnung der Spekulationssteuer

Die Spekulationssteuer wird auf den Veräußerungsgewinn erhoben und mit Ihrem persönlichen Einkommensteuersatz versteuert.

Berechnung:

Veräußerungsgewinn der Immobilie = Verkaufspreis - Anschaffungskosten - Verkaufskosten

Der Begriff "Anschaffungskosten" im Erbfall meint den ursprünglichen Kaufpreis des Erblassers, der um die über die Jahre in Anspruch genommene Abschreibung (AfA) für das vermietete Gebäude gemindert werden muss. Dies erhöht den steuerpflichtigen Gewinn.

Beispielrechnung

Ausgangssituation:

  • Ihr Vater erwarb 2018 ein Mehrfamilienhaus für 320.000 Euro
  • Vollständig vermietet seit Kauf
  • Sie verkaufen 2024 für 480.000 Euro
  • Maklercourtage: 4,5 % = 21.600 Euro
  • Ihr Steuersatz: 38 %

Berechnung:

Position Betrag
Verkaufspreis 480.000 Euro
./. Ursprünglicher Kaufpreis 320.000 Euro
./. Maklerkosten 21.600 Euro
= Zu versteuernder Gewinn 138.400 Euro

Spekulationssteuer: 138.400 Euro × 0,38 = 52.592 Euro

Die Spekulationssteuer erhöht Ihre Einkommensteuerlast erheblich. Planen Sie entsprechende Rücklagen aus dem Verkaufserlös ein.

Ausnahmen: Wann der Verkauf steuerfrei bleibt

Nicht jeder Immobilienverkauf nach einer Erbschaft ist steuerpflichtig. Unter bestimmten Bedingungen – etwa nach Ablauf der Zehnjahresfrist, bei Eigennutzung oder unentgeltlicher Überlassung an Kinder – bleibt der Verkauf vollständig steuerfrei.

Zehnjahresfrist erfüllt

Der Erblasser hat die Immobilie vor mindestens zehn Jahren erworben (Stichtag: notarieller Kaufvertrag).

Eigennutzung durch den Erblasser

Der Verstorbene hat die Immobilie zu eigenen Wohnzwecken genutzt – unabhängig von der Besitzdauer.

Eigennutzung durch Sie als Erbe (Dreijahresfrist)

Sie oder der Erblasser haben die Immobilie im Jahr des Verkaufs und in den beiden vorangegangenen Kalenderjahren ununterbrochen zu eigenen Wohnzwecken genutzt

Besonderheit: Es zählen angebrochene Kalenderjahre. Eine tatsächliche Wohndauer von deutlich weniger als drei vollen Jahren kann bereits genügen.

Beispiel: Einzug im Dezember 2023, Verkauf im Januar 2025. Tatsächliche Wohndauer: ca. 14 Monate. Abgedeckte Kalenderjahre: 2023, 2024, 2025 = Drei Jahre → Dreijahresfrist erfüllt!

Unentgeltliche Überlassung an Kinder

Sie haben die Immobilie einem leiblichen oder adoptierten Kind mietfrei zur Verfügung gestellt, das dort drei Kalenderjahre seinen Lebensmittelpunkt hatte.

Verkauf ohne Gewinn

Der Verkaufserlös (abzüglich aller Kosten) ist niedriger als der ursprüngliche Kaufpreis des Erblassers.

Freigrenze

Gewinne unter 1.000 Euro (bis Ende 2023 waren es 600 Euro) aus allen privaten Veräußerungsgeschäften zusammen sind steuerfrei. Achtung: Freigrenze, kein Freibetrag – bei 1.001 Euro ist der gesamte Gewinn steuerpflichtig.

Kosten beim Verkauf

Maklercourtage: 3,5 bis 7,14 % des Kaufpreises (kann steuermindernd angesetzt werden)

Beispiel Vermarktungskosten bei Eigenvermarktung:

  • Professionelle Fotos: 200-500 Euro
  • Grundrisse: 150-300 Euro
  • Energieausweis: 80-150 Euro
  • Verkehrswertgutachten: ab 1.500 Euro

Grundschuldlöschung:

  • Ablösung der Restschuld
  • Notar- und Grundbuchkosten: ca. 0,4 % des Grundschuldbetrags

Instandsetzungen: Erhöhen die Verkaufschancen, können aber nicht von der Spekulationssteuer abgezogen werden.

Erbengemeinschaft: Verkauf gemeinsam meistern

Bei mehreren Erben entsteht automatisch eine Erbengemeinschaft. Alle Entscheidungen erfordern Einstimmigkeit.

Aufteilung bei gemeinsamem Verkauf

Der Erlös wird entsprechend der Erbquoten aufgeteilt.

Beispiel: Drei Geschwister erben zu gleichen Teilen ein Haus mit Verkehrswert 450.000 Euro. Nach Maklerkosten (20.000 Euro) verbleiben 430.000 Euro, die zu je 143.333 Euro aufgeteilt werden.

Auszahlung einzelner Miterben

Möchte ein Erbe die Immobilie behalten, muss er die Miterben auszahlen.

Beispiel: Ehepaar mit zwei Kindern – Ehemann verstirbt. Ehefrau erbt 50 %, Kinder je 25 %.

Nachlass:

  • Haus (Verkehrswert): 600.000 Euro
  • Barvermögen: 120.000 Euro
  • Aktiendepot: 80.000 Euro
  • Gesamtnachlass: 800.000 Euro

Die Ehefrau muss 200.000 Euro an die Kinder auszahlen, um das Haus zu behalten.

Teilungsversteigerung

Können sich Erben nicht einigen, kann jeder Miterbe eine Teilungsversteigerung beim Amtsgericht beantragen. Der Erlös liegt meist 20-30 % unter dem Verkehrswert.

Alternative: Ein neutraler Sachverständiger als Mediator kann Konflikte entschärfen und Aufschluss über den korrekten Verkehrswert geben.

Verkaufen, vermieten oder selbst nutzen?

Erben stehen oft vor der Frage, ob sie eine Immobilie selbst nutzen, vermieten oder verkaufen sollten. Jede Option hat steuerliche, finanzielle und emotionale Vor- und Nachteile, die sorgfältig gegeneinander abgewogen werden sollten.

Eigennutzung

Vorteile: Keine Miete, Eigenkapitalaufbau, steuerfreier Verkauf nach drei Jahren
Nachteile: Renovierungskosten, Auszahlung von Miterben nötig

Vermietung

Vorteile: Regelmäßige Einnahmen, steuerliche Vorteile durch AfA
Nachteile: Verwaltungsaufwand, Instandhaltungspflichten, oft geringe Rendite bei Einfamilienhäusern

Verkauf

Vorteile: Sofortige Liquidität, keine laufenden Verpflichtungen, bei Einhaltung der Fristen steuerfrei
Nachteile: Emotionale Trennung, möglicherweise Spekulationssteuer

Zusammengefasst: Verkauf strategisch planen

Der Verkauf einer geerbten Immobilie erfordert sorgfältige Planung. Die Spekulationssteuer lässt sich durch geschicktes Timing vollständig vermeiden.

Die wichtigsten Empfehlungen:

  • Fristen genau berechnen
  • Eigennutzung über drei Kalenderjahre erwägen
  • Professionelle Bewertung einholen
  • Erbengemeinschaft frühzeitig koordinieren
  • Alle Verkaufskosten dokumentieren

Bei SCHIFFER Immobiliensachverständige GmbH unterstützen wir Sie mit gerichtsfesten Verkehrswertgutachten nach § 194 BauGB. Als öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige mit ISO/IEC 17024-Zertifizierung liefern wir Ihnen rechtssichere Grundlagen für Ihre Entscheidung.

Ihre Vorteile:

  • Unverbindliche Erstberatung
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