Warum ist die Bewertung von Restaurants so komplex?
Bei Gastronomieobjekten handelt es sich um sogenannte Betreiberimmobilien oder Spezialimmobilien. Der Wert wird maßgeblich durch den operativen Erfolg des Betriebs bestimmt, nicht primär durch die Bausubstanz. Ein Restaurant ohne Gäste und Umsatz hat für Betreiber und Investoren kaum Wert, unabhängig von der Qualität der Immobilie.
Diese besondere Abhängigkeit von betriebswirtschaftlichen Faktoren macht die Bewertung anspruchsvoll. Aktuelle Trends wie Lieferdienste, veränderte Konsumgewohnheiten oder saisonale Schwankungen müssen ebenso berücksichtigt werden wie die zunehmende Konkurrenz durch Systemgastronomie und Franchiseketten.
Die Expertise eines qualifizierten Immobiliensachverständigen ist daher unerlässlich, um alle wertrelevanten Aspekte fachgerecht zu erfassen und ein rechtssicheres Verkehrswertgutachten zu erstellen.
Welche Bewertungsverfahren kommen zum Einsatz?
Für die Bewertung gastronomischer Betriebe haben sich in Deutschland zwei Verfahren etabliert:
Ertragswertverfahren gemäß § 26 ff. ImmoWertV
Das Ertragswertverfahren ist die Standardmethode für Gastronomieimmobilien. Es ermittelt den Verkehrswert auf Basis der erzielbaren Erträge, also der Einnahmen, die durch Vermietung oder Verpachtung des Objekts langfristig generiert werden können.
Dabei werden folgende Komponenten berücksichtigt:
- Jahresrohertrag: Jährliche Miet- oder Pachteinnahmen
- Bewirtschaftungskosten: Instandhaltung, Verwaltung, Mietausfallwagnis
- Bodenwert: Wert des Grundstücks
- Liegenschaftszinssatz: Verzinsung des eingesetzten Kapitals
- Restnutzungsdauer: Verbleibende wirtschaftliche Nutzbarkeit
Der Vorteil dieses Verfahrens: Es bildet die tatsächliche Ertragssituation realistisch ab und eignet sich für vermietete oder verpachtete Gastronomieobjekte.
Pachtwertverfahren als Sonderform
Das Pachtwertverfahren ist eine angepasste Variante des Ertragswertverfahrens, die speziell für gastronomische Betriebe entwickelt wurde. Hier werden die Pachterträge auf Basis typischer Branchenkennzahlen ermittelt – etwa einem prozentualen Anteil am Jahresumsatz (häufig zwischen 8 und 12 Prozent).
Wichtig: Bei Pachtverträgen muss der Sachverständige den Anteil des Inventars (Einrichtung, Küchentechnik) vom reinen Immobilienwert trennen. Dieser wird entweder einzeln geschätzt oder, als markt- und inventarabhängige Schätzgröße, pauschal mit bis zu 20 Prozent des Pachtanteils angesetzt. Die genaue Höhe hängt vom Umfang und Zustand des Inventars ab.
Individuelle vs. systemgastronomische Konzepte
Die Art des Gastronomiebetriebs hat erheblichen Einfluss auf die Bewertung.
Systemgastronomie: Planbare Erträge
Franchisebetriebe wie McDonald's, Subway oder L'Osteria profitieren von etablierten Konzepten, professionellem Management und hoher Markenbindung. Die Geschäftstätigkeit ist in der Regel stabiler, die Bonität des Betreibers höher. Diese Faktoren wirken sich positiv auf den Verkehrswert aus, insbesondere durch:
- Geringeres Mietausfallwagnis (typisch: ca. 4 Prozent)
- Bewährte Betriebsstrukturen
- Zentrale Marketing-Unterstützung
- Höhere Planungssicherheit für Investoren
Individualgastronomie: Höheres Risiko
Einzelbetriebe ohne Franchisezugehörigkeit unterliegen größeren Schwankungen. Der Erfolg hängt stark von der Unternehmerpersönlichkeit, dem Konzept und lokalen Besonderheiten ab. Dies führt zu:
- Höherem Mietausfallwagnis (ca. 5 bis 6 Prozent)
- Größerer Abhängigkeit von einzelnen Faktoren
- Kürzeren Lebenszyklen einzelner Konzepte
- Schwierigerer Prognose künftiger Erträge
Diese Unsicherheiten müssen in der Bewertung durch entsprechende Zuschläge beim Liegenschaftszinssatz und höhere Risikoansätze abgebildet werden.
Zentrale Einflussfaktoren auf den Wert
Die Bewertung eines Restaurants berücksichtigt eine Vielzahl objektiver und betriebswirtschaftlicher Kriterien:
Standort und Lage
Die Lage ist auch bei Gastronomiebetrieben ein Schlüsselfaktor – allerdings mit gastronomiespezifischen Besonderheiten:
- Fußgängerfrequenz und Sichtbarkeit
- Parkmöglichkeiten und Erreichbarkeit
- Konkurrenzumfeld
- Entwicklungsperspektive des Standorts (z.B. geplante Verkehrskonzepte)
Ein zentral gelegenes Restaurant in einer Metropole erzielt deutlich höhere Bewertungen als ein ländlicher Gasthof mit geringer Durchgangsfrequenz.
Betriebswirtschaftliche Kennzahlen
Für die Bewertung werden die Jahresabschlüsse der vergangenen drei bis fünf Jahre herangezogen. Entscheidend sind:
- Umsatzentwicklung: Ist der Umsatz stabil oder schwankend?
- Gewinnmargen: Diese Kennzahlen (branchenüblich 15 bis 35 Prozent) helfen bei der Einschätzung der Nachhaltigkeit der Pachtzahlungen und fließen in die Beurteilung des Mietausfallwagnisses und des Liegenschaftszinssatzes ein
- Betriebskosten: Personal, Wareneinsatz, Energie
- Pachtquote: Verhältnis Pacht zu Umsatz
Hinweis: Saisonale Schwankungen (z.B. bei Biergärten oder Eiscafés) müssen durch entsprechende Koeffizienten bereinigt werden, um ein realistisches Bild zu erhalten.
Bauliche und technische Ausstattung
Die gastronomische Infrastruktur ist wertentscheidend:
- Konzessionsreife: Sind Lüftung, Fettabscheider, Kältetechnik vorhanden?
- Küchenausstattung: Zustand und Alter der technischen Anlagen
- Raumaufteilung: Gastraum, Küche, Nebenräume
- Sanitäranlagen: Anzahl und Zustand
Die technische Ausstattung hat eine deutlich kürzere Nutzungsdauer als die Gebäudehülle – typischerweise maximal 20 Jahre. Dies muss bei der Berechnung der Restnutzungsdauer berücksichtigt werden.
Vertragsgestaltung
Die Art des Vertrags beeinflusst die Bewertung erheblich:
- Mietvertrag: Mieter trägt nur fixe Miete, Eigentümer trägt bauliche Kosten
- Pachtvertrag: Pächter zahlt umsatzabhängig, übernimmt aber auch Inventar
- Laufzeit: Langfristige Verträge schaffen Planungssicherheit
Beispielrechnung: Ertragswert einer Gaststätte
Ein praktisches Beispiel verdeutlicht die Bewertungsmethodik:
Ausgangssituation:
- Ebenerdiges Restaurant mit 180 m² Nutzfläche
- Pachtvertrag mit 10 Prozent des Netto-Jahresumsatzes
- Durchschnittlicher Jahresumsatz: 350.000 Euro (netto)
- Grundstücksgröße: 180 m²
- Bodenrichtwert: 210 Euro/m²
- Liegenschaftszinssatz: 7,0 Prozent
- Gebäudealter: 5 Jahre
- Gesamtnutzungsdauer: 40 Jahre
Schritt 1: Jahresrohertrag
Jahresrohertrag = 350.000 € × 10 % = 35.000 Euro
Schritt 2: Bewirtschaftungskosten
- Instandhaltung (12 €/m²): 2.160 Euro
- Verwaltung (1 % vom Rohertrag): 350 Euro
- Mietausfallwagnis (5 %): 1.750 Euro
- Modernisierungsrisiko Gastronomietechnik (42.000 € × 5 %): 2.100 Euro
Summe Bewirtschaftungskosten: 6.360 Euro
Schritt 3: Jahresreinertrag Grundstück
Jahresreinertrag = 35.000 € – 6.360 € = 28.640 Euro
Schritt 4: Bodenwert und Bodenwertverz insung
Bodenwert = 180 m² × 210 €/m² = 37.800 Euro
Bodenwertverz insung = 37.800 € × 7 % = 2.646 Euro
Schritt 5: Jahresreinertrag bauliche Anlagen
Jahresreinertrag Gebäude = 28.640 € – 2.646 € = 25.994 Euro
Schritt 6: Ertragswert
Restnutzungsdauer: 35 Jahre (40 Jahre – 5 Jahre)
Vervielfältiger bei 35 Jahren und 7,0 % Liegenschaftszins: 12,71 (Barwertfaktor nach finanzmathematischer Formel)
Ertragswert Gebäude = 25.994 € × 12,71 = 330.384 Euro
Verkehrswert = 330.384 € + 37.800 € = 368.184 Euro
Gerundet: 368.000 Euro
Dieser Wert gilt für die Immobilie in ihrer aktuellen Nutzung als verpachtetes Restaurant.
Häufige Fehler bei der Restaurant-Bewertung
Bei der Selbsteinschätzung des Wertes unterlaufen Eigentümern häufig folgende Fehler:
Überbewertung der Bausubstanz
Viele Eigentümer orientieren sich an den Herstellungskosten oder dem Sachwert. Bei Gastronomiebetrieben ist jedoch der Ertrag entscheidend, eine teure Ausstattung ohne entsprechende Umsätze steigert den Verkehrswert nicht proportional.
Vernachlässigung von Marktzyklen
Gastronomische Konzepte unterliegen Trends. Was heute erfolgreich ist, kann in wenigen Jahren überholt sein. Eine realistische Bewertung berücksichtigt die Zukunftsfähigkeit des Konzepts und mögliche Marktveränderungen.
Falsche Umsatzprognosen
Einmalige Spitzenjahre oder pandemiebegründete Ausnahmen dürfen nicht als Basis für die Bewertung dienen. Sachverständige bilden einen bereinigten Durchschnitt mehrerer Jahre, um konjunkturelle Schwankungen auszugleichen.
Unzureichende Dokumentation
Fehlende Jahresabschlüsse, unvollständige Umsatznachweise oder mangelhafte Betriebskostenabrechnungen erschweren die Bewertung erheblich und können zu Unsicherheitsabschlägen führen.
Wann ist ein professionelles Gutachten erforderlich?
Ein qualifiziertes Verkehrswertgutachten durch einen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen ist in folgenden Situationen unerlässlich:
- Verkauf oder Kauf: Als Verhandlungsgrundlage und Absicherung
- Finanzierung: Banken verlangen häufig ein Beleihungswertgutachten
- Erbschaft oder Scheidung: Zur gerechten Vermögensaufteilung
- Steuerliche Zwecke: Bei Erbschaft-, Schenkung- oder Grunderwerbsteuer
- Gerichtliche Auseinandersetzungen: Als Beweismittel
SCHIFFER Immobiliensachverständige erstellt gerichtsfeste Gutachten gemäß § 194 BauGB und ImmoWertV – bundesweit an allen Niederlassungen verfügbar.
Zusammenfassend: Professionelle Bewertung schafft Sicherheit
Die Bewertung von Restaurants und gastronomischen Betrieben erfordert spezifisches Fachwissen über Immobilienbewertung und Branchenkenntnis. Das Ertragswertverfahren bildet die wirtschaftliche Realität ab und liefert belastbare Werte, vorausgesetzt, es wird fachgerecht angewendet.
Eigentümer sollten nicht auf Schätzungen oder Online-Rechner vertrauen, sondern die Bewertung einem zertifizierten Sachverständigen überlassen. Nur so entstehen rechtssichere Gutachten, die von Behörden, Gerichten und Finanzinstituten anerkannt werden.
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