Bewertungsanlässe für Flughafenimmobilien
Die Notwendigkeit einer professionellen Flughafenbewertung ergibt sich in verschiedenen Situationen. Als Spezialimmobilien mit besonderen betrieblichen Anforderungen bedürfen Flughäfen einer differenzierten Betrachtung durch einen qualifizierten Immobiliensachverständigen.
Typische Bewertungsanlässe umfassen:
- Beteiligungstransaktionen und Anteilsübertragungen
- Bilanzierungspflichten nach HGB oder IFRS
- Privatisierungsverfahren und Public-Private-Partnership-Modelle
- Beantragung von Subventionen und Fördermitteln
- Finanzierung und Beleihung durch Kreditinstitute
- Erweiterungs- und Ausbauprojekte
Bei allen Bewertungszwecken ist die Einhaltung gesetzlicher Vorgaben und anerkannter Standards essentiell, um ein rechtssicheres Verkehrswertgutachten zu gewährleisten.
Immobilien- oder Unternehmensbewertung: Die richtige Methodik
Eine zentrale Frage bei der Flughafenbewertung betrifft die grundsätzliche Herangehensweise. Zwei Perspektiven stehen sich gegenüber:
Immobilienbezogene Sichtweise: Der Flughafen wird als Grundstück mit baulichen Anlagen betrachtet, das ortsgebunden wirtschaftliche Erträge generiert. Die Bewertung konzentriert sich auf Grund und Boden, Gebäude, Infrastruktur sowie die damit verbundenen Cashflows.
Unternehmensbezogene Sichtweise: Der Flughafen wird als Betreibergesellschaft verstanden, die an einem bestimmten Standort durch wirtschaftliche Aktivitäten Gewinne erwirtschaftet. Hier fließen betriebswirtschaftliche Kennzahlen stärker ein.
Sachwertverfahren als substanzbasierter Mindestansatz
Das Sachwertverfahren gemäß ImmoWertV dient bei Flughafenbewertungen als reiner substanzbasierter Ansatz zur Ermittlung eines Mindestwerts. Dieser Ansatz basiert auf den Herstellungskosten der baulichen Anlagen und berücksichtigt:
- Bodenwert des Grundstücks
- Gebäudesachwert (Start- und Landebahnen, Terminals, Hangars)
- Wert der Außenanlagen und technischen Infrastruktur
- Alterswertminderung und Modernisierungsgrad
Es ist jedoch zu betonen, dass das Sachwertverfahren die betriebswirtschaftliche Ertragskraft und die damit verbundenen Synergien nicht adäquat erfasst. Bei vollfunktionsfähigen Verkehrsflughäfen als Betreiberimmobilien bildet es daher lediglich einen nachrangigen oder ergänzenden Wertmaßstab, der die reinen Baukosten abbildet. Für Investorentransaktionen oder die Ermittlung des Marktwerts ist dieser Ansatz allein nicht ausreichend.
Geplante Erweiterungsinvestitionen lassen sich zusätzlich über ein Residualwertverfahren auf ihre wirtschaftliche Tragfähigkeit überprüfen.
Ertragswertorientierte Verfahren für Investoren
Private Kapitalgeber und institutionelle Investoren benötigen renditeorientierte Bewertungsergebnisse. Hier stellt die Discounted-Cashflow-Methode (DCF) den primären und maßgeblichen Wertmaßstab dar – eine Form des Ertragswertverfahrens, die zukünftige Zahlungsströme auf den Bewertungsstichtag abzinst.
Diese Methodik berücksichtigt:
- Prognostizierte Erträge aus Aviation- und Non-Aviation-Geschäftsfeldern
- Operative Kosten und Investitionsbedarfe
- Risikoadjustierte Diskontierungssätze
- Nachhaltiges Wachstum (Terminal Value)
Für internationale Transaktionen und Bilanzierungszwecke nach IFRS/IAS erstellen wir Fair-Value-Gutachten nach international anerkannten Standards. Bei Bilanzierungen nach HGB gelten vorrangig die handelsrechtlichen Bewertungsgrundsätze unter Beachtung des Vorsichtsprinzip.
Wertbestimmende Faktoren bei der Flughafenbewertung
Die Wertermittlung einer Flughafenimmobilie erfordert die Analyse verschiedener Einflussfaktoren. Diese lassen sich in strukturelle, wirtschaftliche und operative Komponenten unterteilen.
Standort und strategische Positionierung
Die geografische Lage bestimmt maßgeblich die Entwicklungsperspektiven eines Flughafens. Primärflughäfen wie Frankfurt und München fungieren als internationale Drehkreuze und profitieren von:
- Zentraler Lage mit großem Einzugsgebiet
- Geostrategischer Bedeutung für interkontinentale Verbindungen
- Anbindung an leistungsfähige Verkehrsinfrastruktur
- Wirtschaftsstarken Metropolregionen
Sekundär- und Tertiärflughäfen bedienen regionale Märkte und spezialisieren sich häufig auf Ferienflugverkehr oder Low-Cost-Carrier-Verbindungen. Ihre wirtschaftliche Tragfähigkeit hängt stark von der Bevölkerungsdichte und touristischen Attraktivität des Einzugsgebiets ab.
Quartärflughäfen, zu denen Regionalflughäfen und umgewidmete Militärstandorte zählen, stehen vor besonderen Herausforderungen hinsichtlich Rentabilität und Passagieraufkommen.
Verkehrsstruktur und Entwicklungsperspektiven
Das Passagieraufkommen und dessen Zusammensetzung sind Kernkriterien der Bewertung. Relevant sind:
- Jahrespassagierzahlen und deren Entwicklung
- Verhältnis zwischen Linien- und Charterverkehr
- Saisonale Schwankungen und Auslastungsgrade
- Fracht- und Cargovolumen
- Anbindung durch nationale und internationale Airlines
Eine diversifizierte Verkehrsstruktur mit geringen saisonalen Schwankungen wirkt sich positiv auf die Ertragsstabilität aus. Flughäfen mit Fokus auf Ferienflugverkehr unterliegen stärkeren saisonalen Volatilitäten.
Die multimodale Verkehrsanbindung durch Bahn, ÖPNV und Straßeninfrastruktur sowie ausreichende Parkplatzkapazitäten beeinflussen die Attraktivität für Passagiere und Airlines gleichermaßen.
Erlösstruktur im Aviation-Bereich
Die Einnahmen aus dem Flugverkehr bilden traditionell die Haupterlösquelle. Flughafenbetreiber stellen Airlines die notwendige Infrastruktur gegen Entgelte zur Verfügung. Das Tarifsystem umfasst:
- Passagierentgelte: Abgaben pro abfliegendem oder ankommendem Passagier, häufig gestaffelt nach Flugziel (national, international, Schengen)
- Landeentgelte: Gebühren basierend auf Startgewicht und Lärmklassifizierung des Luftfahrzeugs
- Abstellentgelte: Parkgebühren für Flugzeuge auf Vorfeldflächen, zeitabhängig berechnet
- Sicherheitsentgelte: Kostendeckung für Passagier- und Gepäckkontrollen gemäß Luftsicherheitsgesetz
Die zunehmende Konkurrenz durch Low-Cost-Carrier hat zu differenzierteren Geschäftsmodellen geführt. Anreizstrukturen, volumenabhängige Rabatte und Marketing-Kooperationen prägen moderne Entgeltvereinbarungen. Der prozentuale Anteil der Aviation-Erlöse am Gesamtumsatz ist bei vielen Flughäfen rückläufig.
Non-Aviation-Erlöse als Wachstumstreiber
Zunehmend bedeutsam werden Einnahmen außerhalb des Flugverkehrs. Der Non-Aviation-Bereich umfasst:
Einzelhandel und Gastronomie: Konzessionierte Flächen für Travel-Value-Shops, Boutiquen und Restaurants generieren attraktive Flächenmieten
Parkraumbewirtschaftung: Kurz- und Langzeitparkplätze sowie Premium-Services wie Valet-Parking
Werbeflächen: Plakatwände, digitale Screens und Sponsoring-Vereinbarungen
Immobilienvermietung: Büroflächen, Lagerhallen und Servicebereiche für Airlines, Logistiker und Dienstleister
VIP-Services: Lounges, Fast-Track-Angebote und exklusive Abfertigungsservices
Die Optimierung der Non-Aviation-Erlöse erfordert eine strategische Flächenplanung und professionelles Property Management. Hochwertige Passagiere mit höherer Kaufkraft steigern die Retail-Umsätze überproportional.
Operative Kostenstruktur
Die Kostenseite prägt die Ertragskraft eines Flughafens erheblich. Hauptkostentreiber sind:
Personalkosten: Den größten Ausgabenblock bilden Löhne und Gehälter für Sicherheitspersonal, technisches Personal, Verwaltung und Serviceeinheiten. Viele Betreiber lagern Teilbereiche wie Bodenverkehrsdienste, Gebäudereinigung oder Gastronomie aus.
Instandhaltung und Betrieb: Start- und Landebahnen, technische Anlagen, Terminals und Gepäcksysteme erfordern kontinuierliche Wartung und regelmäßige Modernisierung.
Energiekosten: Beleuchtung, Klimatisierung, Heizsysteme und technische Infrastruktur verursachen erhebliche Energieaufwendungen.
Sicherheitsaufwendungen: Luftsicherheitskontrollen, Zugangskontrollen und Überwachungssysteme generieren laufende Kosten.
Standortbedingte Kosten: Winterdienst in nördlichen Regionen, besondere Anforderungen bei schwierigen Windverhältnissen oder komplexem Bahnlayout
Eine schlanke Kostenstruktur mit hohem Automatisierungsgrad und optimierten Prozessen verbessert die Wettbewerbsfähigkeit. Der Vergleich mit Benchmark-Kennzahlen ähnlicher Flughäfen (z.B. Kosten pro Passagier) ermöglicht die Identifikation von Effizienzpotenzialen.
Investitionsstruktur und Kooperationsmodelle
Die Eigentümer- und Betreiberstruktur beeinflusst Investitionsentscheidungen und Entwicklungsmöglichkeiten. Verschiedene Modelle sind etabliert:
Öffentliche Eigentümerschaft: Kommunen, Länder oder der Bund halten die Anteile an der Flughafengesellschaft. Investitionsentscheidungen berücksichtigen volkswirtschaftliche Effekte und regionale Entwicklungsziele.
Public-Private-Partnership: Gemischte Eigentümerstrukturen kombinieren öffentliche Steuerung mit privater Kapitalstärke und betriebswirtschaftlicher Effizienz.
Private Betreiber: Vollprivatisierte Flughäfen fokussieren renditeorientierte Geschäftsmodelle.
Strategische Partnerschaften mit Airlines (z.B. Terminal-Kooperationen), Joint Ventures für Großprojekte oder die Vergabe von Erbbaurechten schaffen Investitionsspielräume ohne vollständige Vermögensübertragung.
Rechtliche Rahmenbedingungen
Die Bewertung muss rechtliche Besonderheiten berücksichtigen:
- Eigentumsformen (Vollbesitz, Erbbaurecht, Pachtmodelle)
- Bauordnungsrechtliche Genehmigungen und Auflagen
- Immissionsschutzrechtliche Beschränkungen
- Denkmalschutz bei historischen Gebäuden
- EU-Beihilferecht bei öffentlicher Förderung
EU-Beihilferichtlinien für Regionalflughäfen: Die Beihilferichtlinien für Flughäfen und Luftverkehrsgesellschaften von 2014 gelten weiterhin. Besonders relevant für die Bewertung ist, dass die Ausnahmeregelungen für Betriebsbeihilfen an Regionalflughäfen mit unter 700.000 Passagieren pro Jahr, die den Übergang zur Kostendeckung erleichtern sollen, bis zum 4. April 2027 verlängert wurden. Diese Regelung beeinflusst die Ertragsperspektiven kleinerer Flughäfen maßgeblich und muss bei der Wertermittlung im Kontext öffentlicher Subventionen berücksichtigt werden.
Wertermittlung durch zertifizierte Sachverständige
Die Bewertung von Flughäfen und Flugplätzen erfordert spezialisiertes Fachwissen in Immobilienbewertung, Luftverkehrswirtschaft und Betreiberimmobilien. SCHIFFER Immobiliensachverständige erstellt als öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger rechtssichere Gutachten für:
- Verkehrswertermittlung gemäß § 194 BauGB
- Fair-Value-Bewertungen nach IFRS/IAS
- Beleihungswertgutachten für Finanzierungen
- Residualwertberechnungen für Erweiterungsprojekte
- Bewertung von Erbbaurechten
Unsere Gutachten werden von Gerichten, Finanzämtern, Banken und Investoren bundesweit anerkannt.
Zusammenfassend: Komplexität erfordert Expertise
Die Wertermittlung von Flughäfen verbindet immobilienwirtschaftliche, betriebswirtschaftliche und verkehrswirtschaftliche Aspekte. Je nach Bewertungsanlass, ob für Investoren, Bilanzierung oder öffentliche Förderung, kommen unterschiedliche Verfahren zur Anwendung.
Entscheidend für eine belastbare Bewertung sind die fundierte Analyse der Standortfaktoren, Erlös- und Kostenstrukturen sowie realistischer Entwicklungsperspektiven. Als zertifizierte Immobiliensachverständige mit Erfahrung in der Bewertung von Spezialimmobilien unterstützen wir Sie mit rechtssicheren, marktgerechten Gutachten.
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