Stadion bewerten: Wertermittlung von Stadien & Mehrzweckhallen erklärt

Ob ausverkauftes Fußballstadion oder ausgebuchte Konzertarena, große Veranstaltungsstätten sind weit mehr als nur Immobilien mit Sitzplätzen. Sie sind komplexe Wirtschaftssysteme, deren Wert von sportlichem Erfolg, Auslastungszahlen und Vermarktungsstrategien abhängt. Die Bewertung solcher Spezialimmobilien erfordert spezialisierte Verfahren, die klassische Immobiliengutachten weit übersteigen. Als Orientierungswert gelten in der Bewertungspraxis häufig Objekte ab 7.000 Zuschauerplätzen als bewertungsrelevante Großveranstaltungsstätten.

Doch wie ermittelt man den Verkehrswert eines Stadions, dessen Ertragskraft direkt vom Erfolg der Bundesligamannschaft abhängt? Welche rechtlichen Rahmenbedingungen sind zu beachten, und warum spielen Pachterträge eine größere Rolle als der Gebäudewert? Dieser Artikel beleuchtet die fachlichen Grundlagen, zeigt praxisnahe Berechnungsbeispiele und erklärt, warum nur spezialisierte Sachverständige diese Bewertungen durchführen können.

In diesem Artikel:

Was sind Stadien und Mehrzweckhallen im Bewertungskontext?

Bei der Immobilienbewertung grenzen sich große Veranstaltungsstätten deutlich von kleineren Sporthallen oder lokalen Eventlocations ab. Als bewertungsrelevante Stadien und Mehrzweckhallen gelten in der Praxis häufig Objekte ab etwa 7.000 Zuschauerplätzen. Diese Abgrenzung ist keine gesetzlich fixierte Untergrenze, sondern ein in der Bewertungspraxis etablierter Orientierungswert, der sich aus der überdurchschnittlichen Komplexität, der spezifischen Betreibernutzung und dem besonderen Marktumfeld dieser Immobilien ergibt. Diese Großveranstaltungsstätten dienen als Austragungsorte für Fußballspiele, Handballpartien, Eishockeymatches, Konzerte, Shows und andere publikumswirksame Events.

Die rechtliche und wirtschaftliche Struktur dieser Immobilien ist komplex. Häufig fungieren sie als Betreiberimmobilien, bei denen der Eigentümer das Objekt an eine Betriebsgesellschaft vermietet oder verpachtet. Diese übernimmt dann Betrieb, Vermarktung und Eventmanagement. In manchen Fällen existieren auch Managementimmobilien mit mehreren Betreibern für unterschiedliche Nutzungsbereiche.

Die größten Stadien in Deutschland wie der Signal Iduna Park in Dortmund mit 81.365 Plätzen oder die Allianz Arena in München mit 75.024 Plätzen zeigen das Spektrum dieser Assetklasse. Aber auch Mehrzweckhallen wie die Lanxess Arena in Köln mit 20.000 Plätzen oder die Westfalenhallen in Dortmund gehören zu dieser Kategorie.

Rechtliche Grundlagen und normative Rahmenbedingungen

Die Wertermittlung von Stadien und Mehrzweckhallen erfolgt auf Basis der Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV), die seit dem 1. Januar 2022 in ihrer aktuellen Fassung (ImmoWertV 2021) gilt und die dort verankerten Bewertungsverfahren und Grundsätze verbindlich regelt. Die ImmoWertV hat die bisherigen Richtlinien zur Ermittlung des Verkehrswerts von Grundstücken (Verkehrswertrichtlinie – WertR) sowie weitere Wertermittlungsrichtlinien weitestgehend in sich aufgenommen und ersetzt. Ergänzend sind spezielle Normen wie die DIN 277 für Flächenberechnungen relevant.

Besonders bei Sportstätten kommen zusätzliche Regularien hinzu. Die Lizenzierungsbedingungen der Deutschen Fußball Liga (DFL) oder anderer Sportverbände beeinflussen die bauliche Ausstattung und damit auch den Wert der Immobilie. Anforderungen an Sicherheitskonzepte, Medieninfrastruktur und VIP-Bereiche müssen erfüllt sein und fließen in die Bewertung ein.

Anlässe für die Bewertung von Veranstaltungsstätten

Die Wertermittlung von Stadien und Multifunktionshallen wird aus verschiedenen Gründen erforderlich. Im Fokus stehen dabei wirtschaftliche und rechtliche Sachverhalte, die eine präzise Kenntnis des Immobilienwerts erfordern.

Transaktionen und Eigentumsübertragungen

Beim Verkauf oder Kauf einer Großveranstaltungsstätte ist ein fundiertes Gutachten unverzichtbar. Investoren benötigen eine belastbare Werteinschätzung, um Kaufpreisverhandlungen führen zu können. Gerade bei privatwirtschaftlich betriebenen Arenen, die renditeorientiert bewirtschaftet werden, spielt die Ertragskraft eine zentrale Rolle.

Bilanzielle Bewertungen

Für Jahresabschlüsse nach HGB oder IFRS müssen Stadien und Hallen regelmäßig bewertet werden. Wertminderungen durch Alterung, veränderte Marktbedingungen oder sinkende Auslastung müssen erfasst und bilanziert werden. Auch bei der Umstrukturierung von Betreibergesellschaften oder bei Verschmelzungen sind aktuelle Verkehrswertgutachten erforderlich.

Finanzierungen und Beleihungen

Banken und Kreditinstitute verlangen bei der Finanzierung von Stadionprojekten oder Refinanzierungen Beleihungswertgutachten gemäß Beleihungswertermittlungsverordnung (BelWertV). Diese Gutachten berücksichtigen einen längeren Betrachtungszeitraum und konservativere Prognosen als Verkehrswertgutachten. Die BelWertV wurde zuletzt im Januar 2024 angepasst, wobei die Mindestkapitalisierungszinssätze für gewerbliche Objekte auf 6,5 Prozent festgelegt wurden. Diese Zinssätze werden regelmäßig überprüft und können sich entsprechend der Marktentwicklung ändern, was die Aktualität der Bewertung direkt beeinflusst.

Insolvenz und Sanierung

Im Insolvenzfall eines Betreibers oder Eigentümers muss der Wert der Immobilie ermittelt werden, um Gläubiger bedienen zu können. Auch bei Sanierungsverfahren sind belastbare Wertgutachten die Basis für Verhandlungen mit Investoren und Gläubigern.

Bewertungsverfahren für Stadien und Mehrzweckhallen

Die Bewertung von Großveranstaltungsstätten erfordert spezialisierte Verfahren, die der besonderen Nutzung und Ertragssituation gerecht werden. Das Sachwertverfahren spielt aufgrund der Renditeorientierung meist eine untergeordnete Rolle.

Ertragswertverfahren nach ImmoWertV

Das Ertragswertverfahren bildet bei vermieteten oder verpachteten Stadien das zentrale Bewertungsverfahren. Es ermittelt den Wert auf Basis der nachhaltig erzielbaren Miete oder Pacht. Die Berechnung erfolgt nach § 17 ff. ImmoWertV und berücksichtigt neben den Erträgen auch die Bewirtschaftungskosten sowie den Bodenwert.

Bei einer Mehrzweckhalle mit einer Jahresmiete von 2.500.000 Euro, Bewirtschaftungskosten von 650.000 Euro und einem Bodenwert von 3.000.000 Euro ergibt sich bei einem Liegenschaftszinssatz von 6,5 Prozent und einer Restnutzungsdauer von 40 Jahren folgender Ertragswert:

  • Reinertrag: 2.500.000 Euro - 650.000 Euro = 1.850.000 Euro
    • Bodenwertverzinsung: 3.000.000 Euro × 6,5 % = 195.000 Euro
    • Gebäudereinertrag: 1.850.000 Euro - 195.000 Euro = 1.655.000 Euro
    • Vervielfältiger (40 Jahre, 6,5 %): ca. 14,15
    • Gebäudeertragswert: 1.655.000 Euro × 14,15 = 23.418.250 Euro
    • Ertragswert: 23.418.250 Euro + 3.000.000 Euro = 26.418.250 Euro

Bei der Bewirtschaftungskostenermittlung ist zu beachten, dass gerade bei Großveranstaltungsstätten aufgrund hoher Energie-, Personal- und Instandhaltungskosten realistische Ansätze gewählt werden müssen. Eine Unterschätzung der Bewirtschaftungskosten führt zu überhöhten Reinertragsansätzen und damit zu fehlerhaften Wertermittlungen.

Pachtwertverfahren

Viele Stadien und Arenen werden nicht vermietet, sondern verpachtet. Der Pächter übernimmt dabei umfassende Betreiberrisiken und zahlt eine Pacht, die sich häufig aus einer Grundpacht plus umsatzabhängigen Komponenten zusammensetzt. Das Pachtwertverfahren orientiert sich methodisch am Ertragswertverfahren, verwendet jedoch die nachhaltig erzielbare Pacht als Ausgangsgröße.

Die Herausforderung besteht darin, die Nachhaltigkeit der Pachterträge zu beurteilen. Bei Fußballstadien hängt die Zahlungsfähigkeit des Pächters oft direkt vom sportlichen Erfolg ab. Abstieg oder Aufstieg können die Ertragslage dramatisch verändern. Sachverständige müssen daher Szenarien entwickeln und risikoadjustierte Durchschnittswerte ermitteln.

Ergänzende Bewertungsansätze

In Einzelfällen können auch Discounted-Cash-Flow-Verfahren (DCF) zum Einsatz kommen, insbesondere wenn detaillierte Businesspläne vorliegen. Diese Verfahren prognostizieren die zukünftigen Cash Flows über einen längeren Zeitraum und diskontieren diese auf den Bewertungsstichtag.

Ertragspotenziale und Kostenstrukturen

Die wirtschaftliche Bewertung von Stadien und Mehrzweckhallen erfordert eine detaillierte Analyse der Ertrags- und Kostenseite. Nur durch fundierte Kenntnis dieser Faktoren lässt sich der nachhaltige Reinertrag bestimmen.

Erlösquellen

Die Einnahmen von Großveranstaltungsstätten gliedern sich in mehrere Kategorien:

Stadionbezogene Erlöse: Hierzu zählen Einnahmen aus Ticketing, VIP-Logen und Business Seats, Namensrechte für das Stadion, Werbeflächen wie Bandenwerbung und Anzeigetafeln sowie Catering und Merchandising. Ein modernes Stadion mit 50.000 Plätzen kann bei durchschnittlich 25 Heimspielen und einem mittleren Ticketpreis von 40 Euro allein aus dem Ticketing 50.000.000 Euro pro Saison generieren.

Nutzungsabhängige Einnahmen: Konzerte, Shows und andere Events außerhalb des Sportbetriebs schaffen zusätzliche Erlöse. Multifunktionshallen mit flexibler Bestuhlung können ihre Auslastung deutlich steigern, indem sie verschiedene Veranstaltungsformate ermöglichen.

Medienrechte: Bei Profisportstätten spielen TV-Übertragungsrechte eine wichtige Rolle. Diese werden zwar oft auf Verbandsebene verhandelt, fließen aber indirekt über die Finanzausstattung des ansässigen Vereins in die Bewertung ein.

Betriebskosten

Den Erlösen stehen erhebliche Betriebskosten gegenüber. Personalkosten für Sicherheitsdienste, Ordner, Reinigungskräfte und Verwaltung machen einen großen Anteil aus. Hinzu kommen Energie- und Medienkosten für Flutlicht, Lüftung und technische Anlagen. Instandhaltungsaufwendungen für Rasen, Technik und Gebäude sind ebenso zu berücksichtigen wie Versicherungen und Abgaben.

Bei einem Stadion mit 60.000 Plätzen können die jährlichen Betriebskosten durchaus 10.000.000 bis 15.000.000 Euro betragen. Diese Kostenseite muss bei der Bewertung realistisch angesetzt werden, um den nachhaltigen Reinertrag nicht zu überschätzen. Insbesondere stark gestiegene Energiepreise und Personalkosten erfordern in aktuellen Bewertungen besondere Aufmerksamkeit.

Besonderheiten bei der Bewertung von Fußballstadien

Fußballstadien stellen innerhalb der Spezialimmobilien eine eigene Kategorie dar. Ihre Wertermittlung ist mit zusätzlichen Herausforderungen verbunden, da sportlicher und wirtschaftlicher Erfolg des ansässigen Vereins unmittelbar die Ertragskraft beeinflussen.

Abhängigkeit vom Vereinserfolg

Der Wert eines Fußballstadions korreliert stark mit dem sportlichen Erfolg des Heimvereins. Ein Aufstieg in die erste Bundesliga erhöht die Zuschauereinnahmen, Medienerlöse und Sponsoringeinnahmen deutlich. Umgekehrt führt ein Abstieg zu massiven Erlöseinbußen. Sachverständige müssen daher verschiedene Szenarien durchspielen:

  • Best Case: Aufstieg, europäischer Wettbewerb, gestiegene Auslastung
  • Base Case: Verbleib in aktueller Liga, stabile Zuschauerzahlen
  • Worst Case: Abstieg, sinkende Sponsorengelder, reduzierte Auslastung

Die gewichtete Bewertung dieser Szenarien führt zu einem risikogerechten Immobilienwert.

Vereinsspezifische Erlöse

Neben den rein stadionbezogenen Einnahmen fließen auch vereinsspezifische Faktoren ein. Trikotwerbung, Merchandising und Sponsoring werden zwar dem Verein zugerechnet, beeinflussen aber dessen Zahlungsfähigkeit bei verpachteten Stadien. Transfererlöse aus Spielerverkäufen können die finanzielle Stabilität des Vereins und damit die Pachtzahlungen absichern.

Fanbindung und Tradition

Nicht quantifizierbare Faktoren wie Fanbindung, Vereinstradition und regionale Verwurzelung spielen ebenfalls eine Rolle. Ein Verein mit treuer Fanbasis kann auch in sportlich schwierigen Phasen auf hohe Zuschauerzahlen setzen. Diese Stabilität wirkt sich positiv auf die Risikoeinschätzung aus.

Technische und bauliche Bewertungsaspekte

Neben den ertragsseitigen Faktoren müssen Sachverständige auch die bauliche Substanz und technische Ausstattung der Immobilie analysieren. Die Restnutzungsdauer des Gebäudes, der Zustand von Dach, Fassade und Tribünen sowie die Modernität der technischen Anlagen beeinflussen den Wert erheblich.

Moderne Stadien verfügen über aufwendige Medientechnik, Flutlichtanlagen nach DFL-Standards und umfassende Sicherheitseinrichtungen. Eine veraltete Infrastruktur mindert den Wert, da Modernisierungsinvestitionen erforderlich werden. Auch die Nachhaltigkeit spielt zunehmend eine Rolle. Energieeffiziente Beleuchtung, Photovoltaikanlagen und nachhaltige Materialien steigern die Attraktivität und den Wert der Immobilie.

Marktlage und Transaktionsvergleiche

Der Markt für Stadien und Mehrzweckhallen ist aufgrund der Spezialität der Objekte sehr begrenzt. Transaktionsvergleiche sind selten möglich, da Verkäufe nur vereinzelt stattfinden. Dennoch lassen sich aus vergangenen Transaktionen Rückschlüsse ziehen. Investoren legen zunehmend Wert auf multifunktionale Nutzbarkeit und renditestarke Bewirtschaftung.

Die Privatisierung öffentlicher Stadien hat in den vergangenen Jahren zugenommen. Kommunen und Städte trennen sich von defizitären Objekten, während private Investoren auf professionelle Vermarktung und Kostenoptimierung setzen.

Fehlerquellen und Risiken bei der Bewertung

Die Wertermittlung von Stadien birgt spezifische Risiken, die zu Fehleinschätzungen führen können:

  • Überschätzung der Ertragskraft: Zu optimistische Auslastungsprognosen führen zu überhöhten Wertansätzen. Sachverständige müssen historische Daten kritisch analysieren.
  • Vernachlässigung von Instandhaltungsrückständen: Verdeckte Mängel an Dach, Technik oder Tribünen können erhebliche Investitionen erfordern und mindern den Wert.
  • Fehlende Risikoadjustierung: Besonders bei Fußballstadien muss das sportliche Risiko angemessen berücksichtigt werden.
  • Unzureichende Marktkenntnis: Vergleichsobjekte sind rar. Sachverständige benötigen umfassende Kenntnisse über regionale Märkte und Sportimmobilien.
  • Unrealistische Bewirtschaftungskosten: Eine Unterschätzung der tatsächlichen Betriebskosten führt zu verfälschten Reinerträgen und damit zu überhöhten Immobilienwerten.

Zusammenfassend: Komplexe Bewertung erfordert Expertise

Die Wertermittlung von Stadien und Mehrzweckhallen gehört zu den anspruchsvollsten Aufgaben der Immobilienbewertung. Die Kombination aus baulicher Komplexität, ertragsseitiger Unsicherheit und sportspezifischen Risiken erfordert fundierte Fachkenntnisse. Das Ertragswertverfahren und Pachtwertverfahren bilden die methodische Grundlage, müssen aber durch umfassende Markt- und Risikoanalysen ergänzt werden.

Für Eigentümer, Investoren und Finanzierungspartner ist ein gerichtsfestes Verkehrswertgutachten nach § 194 BauGB durch einen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen unverzichtbar. Nur so lassen sich fundierte Entscheidungen treffen und rechtliche Sicherheit erlangen.

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