Autohaus bewerten: Verfahren & Wertfaktoren verständlich erklärt

Die Bewertung von Autohäusern stellt Sachverständige vor besondere Herausforderungen. Anders als klassische Gewerbeimmobilien vereinen diese Objekte Verkaufsflächen, Werkstattbereiche und weitläufige Außenanlagen in einem komplexen Nutzungskonzept. Die enge Verzahnung mit den Automobilherstellern, die detaillierte Vorgaben von der Beleuchtung bis zur Inneneinrichtung machen, prägt den wirtschaftlichen Erfolg maßgeblich. Hinzu kommt der tiefgreifende Strukturwandel der Branche: Elektromobilität verändert Servicestrukturen, Digitalisierung verschiebt den Vertrieb zunehmend ins Netz, und große Handelsgruppen verdrängen inhabergeführte Betriebe.

Diese Entwicklungen beeinflussen nicht nur die aktuellen Erträge, sondern auch die langfristigen Wertperspektiven. Wer heute ein Autohaus bewertet, muss daher weit mehr als nur Quadratmeter und Bausubstanz analysieren, es geht um die Zukunftsfähigkeit eines gesamten Geschäftsmodells.

In diesem Artikel:

Besonderheiten bei der Bewertung von Autohäusern

Autohäuser fallen in die Kategorie der Spezialimmobilien, genauer gesagt der Betreiberimmobilien. Anders als bei klassischen Wohn- oder Büroimmobilien ist hier die betriebliche Nutzung untrennbar mit der Immobilie verbunden. Die Immobilienbewertung muss daher sowohl bauliche als auch betriebswirtschaftliche Faktoren berücksichtigen.

Eine zentrale Herausforderung liegt in der starken Spezialisierung der Immobilie. Umbau oder alternative Nutzungskonzepte sind meist mit erheblichem Aufwand verbunden. Diese eingeschränkte Drittverwendbarkeit beeinflusst den Verkehrswert erheblich und muss bei der Bewertung berücksichtigt werden.

Bauliche Anforderungen an Autohausimmobilien

Moderne Autohäuser müssen verschiedene funktionale Bereiche vereinen. Der Showroom als Herzstück benötigt großzügige, repräsentative Flächen mit entsprechender Beleuchtung. Werkstattbereiche erfordern ausreichende Deckenhöhen für Hebebühnen, Absauganlagen und spezialisierte technische Ausstattung.

Hinzu kommen Büroflächen für Verwaltung und Verkauf, Sozialräume für Mitarbeiter, Lagerräume für Ersatzteile sowie umfangreiche Außenflächen für Neu- und Gebrauchtwagen. Die wirtschaftlich sinnvolle Grundstücksgröße liegt dabei oft bei mindestens 5.000 Quadratmetern, wobei moderne urbane Konzepte mit mehrgeschossigen Strukturen oder Agenturmodellen auch mit kleineren Flächen auskommen können. In ländlichen Lagen finden sich hingegen häufig deutlich größere Areale.

Geschäftsmodell und Umsatzstruktur von Autohäusern

Das wirtschaftliche Fundament eines Autohauses ruht auf mehreren Säulen. Typischerweise lassen sich fünf Hauptgeschäftsfelder identifizieren, die unterschiedlich zum Gesamtumsatz beitragen.

Typische Verteilung der Umsatzanteile (abhängig von Marke und Standort):

  • Neuwagenverkauf: häufig 30 bis 40 Prozent
  • Gebrauchtwagenhandel: häufig 25 bis 30 Prozent
  • Werkstattleistungen: häufig 20 bis 25 Prozent
  • Ersatzteile und Zubehör: häufig 8 bis 12 Prozent
  • Weitere Dienstleistungen (Leasing, Versicherungen): häufig 5 bis 8 Prozent

Diese Verteilung variiert erheblich je nach Herstellermarke, Standortgröße und strategischer Ausrichtung. Premium-Marken erzielen oft höhere Anteile im Servicebereich, während Volumenmarken stärker vom Neuwagengeschäft abhängig sind. Interessanterweise unterscheidet sich die Ertragsstruktur deutlich von der Umsatzverteilung. Der Verkauf von Originalteilen, Zubehör und Schmierstoffen erzielt deutlich höhere Margen als der reine Fahrzeughandel. Auch Werkstattleistungen tragen überproportional zum Gewinn bei.

Diese diversifizierte Umsatzstruktur ist für die Wertermittlung relevant, da sie die Stabilität und Zukunftsfähigkeit des Standorts beeinflusst. Autohäuser mit gut ausgebauten Servicebereichen sind weniger abhängig von schwankenden Verkaufszahlen.

Standortkriterien für Autohausimmobilien

Der Standort entscheidet maßgeblich über den wirtschaftlichen Erfolg und damit über den Wert einer Autohausimmobilie. Mehrere Faktoren spielen dabei eine zentrale Rolle.

Lage und Sichtbarkeit

Eine exponierte Lage an Hauptverkehrsstraßen oder Ausfallstraßen ist essenziell. Die Immobilie muss für potenzielle Kunden gut sichtbar und leicht erreichbar sein. Eine unkomplizierte Zu- und Abfahrt ohne komplizierte Abbiegevorgänge erhöht die Attraktivität erheblich.

Die Nähe zu Wohngebieten mit entsprechender Kaufkraft ist vorteilhaft, gleichzeitig müssen planungsrechtliche Vorgaben für Gewerbenutzung erfüllt sein. Der Bebauungsplan muss die Nutzung als Autohaus explizit zulassen.

Einzugsgebiet und Marktpotenzial

Das Einzugsgebiet bestimmt das Absatzpotenzial. Automobilhersteller führen detaillierte Standortanalysen durch, bevor sie Händlerverträge vergeben. Dabei werden Bevölkerungsdichte, Kaufkraft, Altersstruktur und Motorisierungsgrad analysiert.

Auch die Konkurrenzsituation wird genau untersucht. Wie viele Autohäuser der gleichen und konkurrierender Marken existieren bereits im Umkreis? Diese Faktoren beeinflussen die prognostizierten Absatzzahlen und damit den erzielbaren Ertrag der Immobilie.

Grundstücksanforderungen

Ein Autohausgrundstück muss spezifische Anforderungen erfüllen. Neben der ausreichenden Fläche und einer effizienten Gestaltung sind Form und Zuschnitt wichtig. Langgestreckte, schmale Grundstücke eignen sich weniger als kompakte, rechteckige Flächen, die eine funktionale Aufteilung der verschiedenen Nutzungsbereiche ermöglichen.

Die Bodenbeschaffenheit muss ausreichende Tragfähigkeit für Werkstattbereiche mit schwerer Ausrüstung bieten. Zudem sind entsprechende Ver- und Entsorgungsanschlüsse sowie Umweltauflagen zu berücksichtigen.

Bewertungsverfahren für Autohäuser

Bei der Bewertung von Autohäusern kommt primär das Ertragswertverfahren zur Anwendung. Dieses Verfahren berücksichtigt die tatsächlich erzielbaren Erträge der Immobilie und ist damit ideal für Betreiberimmobilien geeignet.

Ertragswertverfahren als Standardmethode

Das Ertragswertverfahren ermittelt den Wert einer Immobilie auf Basis der nachhaltig erzielbaren Erträge. Bei Autohäusern wird dabei von einem marktüblichen Pachtverhältnis ausgegangen, auch wenn der Betreiber gleichzeitig Eigentümer ist.

Die Berechnung erfolgt in mehreren Schritten:

  1. Ermittlung des Rohertrags: Zunächst wird die marktüblich erzielbare Jahrespacht ermittelt. Diese orientiert sich an vergleichbaren Objekten und berücksichtigt die spezifischen Gegebenheiten des bewerteten Autohauses.
  2. Abzug der Bewirtschaftungskosten: Vom Rohertrag werden die Verwaltungskosten, Instandhaltungsrücklagen, das Mietausfallwagnis und sonstige Bewirtschaftungskosten abgezogen. Das Ergebnis ist der Reinertrag.
  3. Ermittlung des Bodenwerts: Der Grundstückswert wird separat ermittelt, typischerweise über das Vergleichswertverfahren unter Berücksichtigung des Bodenrichtwerts.
  4. Kapitalisierung: Der Reinertrag wird mit einem Vervielfältiger kapitalisiert, der sich aus dem Liegenschaftszinssatz und der Restnutzungsdauer ergibt.

Beispielrechnung für ein Autohaus

Ein Rechenbeispiel veranschaulicht das Verfahren. Angenommen wird ein Autohaus mit 8.000 Quadratmetern Grundstücksfläche, 1.200 Quadratmetern bebauter Fläche und einer Restnutzungsdauer von 35 Jahren.

Ausgangsdaten:

  • Marktübliche Jahrespacht: 180.000 Euro
  • Bewirtschaftungskosten (18 Prozent): 32.400 Euro
  • Reinertrag: 147.600 Euro
  • Bodenwert (80 Euro/qm): 640.000 Euro
  • Liegenschaftszinssatz: 5,5 Prozent (Annahme für dieses Rechenbeispiel)
  • Vervielfältiger (35 Jahre, 5,5 Prozent): 16,37

Berechnung:

  • Gebäudereinertrag: 147.600 Euro - (640.000 Euro × 0,055) = 112.400 Euro
  • Gebäudeertragswert: 112.400 Euro × 16,37 = 1.840.000 Euro
  • Verkehrswert: 1.840.000 Euro + 640.000 Euro = 2.480.000 Euro

Hinweis zum Liegenschaftszinssatz: Der Liegenschaftszinssatz ist eine zentrale Rechengröße und muss zwingend dem regionalen und objektspezifischen Marktumfeld entsprechen. Die Gutachterausschüsse ermitteln diese Werte regelmäßig auf Basis tatsächlicher Markttransaktionen. Aufgrund gestiegener Zinsen und der Unsicherheiten bezüglich der Zukunftsfähigkeit des Autohandels tendieren einige Gutachterausschüsse bei spezialisierten Gewerbeimmobilien wie Autohäusern zu höheren Ansätzen (teilweise 6 bis 7 Prozent oder mehr). Der hier verwendete Zinssatz von 5,5 Prozent dient ausschließlich der Veranschaulichung des Bewertungsverfahrens.

Einflussfaktoren auf den Verkehrswert

Neben den klassischen Bewertungskriterien beeinflussen spezifische Faktoren den Wert von Autohausimmobilien erheblich.

Herstellerbindung und Vertragsverhältnisse

Die Bindung an einen Automobilhersteller prägt die wirtschaftliche Situation fundamental. Händlerverträge laufen typischerweise über vier bis fünf Jahre und werden regelmäßig an neue Standards angepasst. Diese Verträge regeln nicht nur den Fahrzeugbezug, sondern auch bauliche Standards.

Hersteller geben detaillierte Vorgaben für Showroom-Gestaltung, Beleuchtungskonzepte, Bodenbeläge und sogar Möblierung vor. Diese Corporate-Identity-Anforderungen verursachen erhebliche Investitionen, die bei Herstellerwechsel oder Vertragsende meist wertlos werden.

Für die Bewertung bedeutet dies: Je jünger die herstellerspezifischen Investitionen, desto höher deren Restwert. Steht jedoch ein Herstellerwechsel oder eine Neuausrichtung an, können erhebliche Abschreibungen erforderlich werden.

Modernisierungsgrad und technische Ausstattung

Der technische Standard der Werkstattausstattung beeinflusst die Wettbewerbsfähigkeit. Moderne Diagnosesysteme, Hebebühnen der neuesten Generation und zeitgemäße Umweltschutztechnik sind unverzichtbar. Veraltete Technik mindert den Wert, da Neuinvestitionen erforderlich werden.

Auch energetische Standards gewinnen an Bedeutung. Ein Energieausweis für gewerblich genutzte Immobilien ist Pflicht. Autohäuser mit hohem Energieverbrauch durch veraltete Heizungssysteme oder unzureichende Dämmung verlieren an Attraktivität.

Flächeneffizienz und Nutzungskonzept

Die Aufteilung der verfügbaren Flächen auf die verschiedenen Funktionsbereiche beeinflusst die Wirtschaftlichkeit. Ein gut durchdachtes Raumkonzept mit effizienten Arbeitsabläufen steigert die Produktivität und damit den Ertrag.

Moderne Konzepte setzen auf großzügige Showrooms mit Erlebnischarakter, während Lagerflächen optimiert werden. Die Möglichkeit, Außenflächen für Events oder Präsentationen zu nutzen, erhöht die Attraktivität zusätzlich.

Strukturwandel in der Automobilbranche

Die Automobilbranche durchläuft einen tiefgreifenden Wandel, der sich unmittelbar auf die Bewertung von Autohausimmobilien auswirkt. Mehrere Trends verändern das traditionelle Geschäftsmodell.

Elektromobilität und veränderte Servicestrukturen

Der Umstieg auf Elektrofahrzeuge reduziert den klassischen Wartungsbedarf erheblich. Elektromotoren benötigen deutlich weniger Service als Verbrennungsmotoren – Ölwechsel, Zahnriemenwechsel und viele weitere typische Wartungsarbeiten entfallen komplett. Allerdings entstehen neue, spezialisierte Dienstleistungen im Bereich Hochvolttechnik, Diagnostik und Batteriemanagement sowie ein erhöhter Bedarf an Karosserie- und Lackreparaturen, die neue Einnahmequellen schaffen und die Werkstattauslastung stabilisieren können.

Elektrofahrzeuge verfügen häufig über empfindlichere und hochwertigere Karosserieteile, was die Nachfrage nach Reparaturleistungen steigert. Zudem erfordern Batteriesysteme und Hochvolt-Komponenten spezialisiertes Know-how, das hochmargige Servicearbeiten ermöglicht. Diese neuen Geschäftsfelder kompensieren den Rückgang klassischer Wartungsleistungen zumindest teilweise.

Für die Bewertung bedeutet dies: Autohäuser, die bereits in die Qualifizierung ihrer Mitarbeiter und die notwendige technische Ausstattung für Elektrofahrzeuge investiert haben, sichern ihre Zukunftsfähigkeit und steigern damit ihren Wert. Fehlende Hochvolt-Zertifizierungen können hingegen als Modernisierungsbedarf wertmindernd wirken.

Gleichzeitig wird Ladeinfrastruktur zunehmend erwartet, sowohl für Kundenfahrzeuge während Serviceaufenthalten als auch für die eigene Flotte von Vorführwagen. Die Integration dieser Technik verursacht Investitionskosten, die bei der Wertermittlung zu berücksichtigen sind.

Digitalisierung und Direktvertrieb

Immer mehr Hersteller setzen auf Direktvertriebsmodelle und Online-Verkaufsplattformen. Tesla hat diesen Weg vorgezeichnet, andere Hersteller folgen. Autohäuser wandeln sich von klassischen Händlern zu Auslieferungs- und Servicecentern.

Diese Entwicklung verändert die Flächenanforderungen. Großflächige Showrooms verlieren an Bedeutung, während Servicebereiche wichtiger werden. Für die Bewertung bedeutet dies eine Neubewertung der Flächenverteilung und der daraus resultierenden Erträge.

Konsolidierung im Autohandel

Kleine, inhabergeführte Autohäuser geraten zunehmend unter Druck. Große Handelsgruppen übernehmen Marktanteile und profitieren von Skaleneffekten. Diese Konsolidierung beeinflusst die Marktliquidität für Autohausimmobilien.

Für Eigentümer kleinerer Standorte kann dies bedeuten, dass die Anzahl potenzieller Käufer sinkt. Gleichzeitig steigt die Bedeutung alternativer Nutzungskonzepte. Die Möglichkeit, eine Autohausimmobilie in andere gewerbliche Nutzungen umzuwandeln, wird zum wichtigen Wertfaktor.

Professionelle Bewertung durch Sachverständige

Die Bewertung von Autohausimmobilien erfordert spezialisiertes Fachwissen. Sowohl bautechnische als auch betriebswirtschaftliche Kenntnisse sind unerlässlich. Ein qualifiziertes Verkehrswertgutachten berücksichtigt alle relevanten Faktoren und liefert eine belastbare Wertaussage.

SCHIFFER Immobiliensachverständige verfügt über umfangreiche Erfahrung in der Bewertung von Gewerbeimmobilien. Als öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige erstellen wir Verkehrswertgutachten nach § 194 BauGB, die vor Gerichten, Finanzämtern und Banken anerkannt werden.

Ob für Kauf, Verkauf, Finanzierung oder steuerliche Zwecke – ein professionelles Gutachten schafft Rechtssicherheit und bildet die Grundlage für fundierte Entscheidungen.

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