Rechenzentrum bewerten: Chancen & Herausforderungen für Investoren

In einer Welt, in der Künstliche Intelligenz (KI), autonomes Fahren und Cloud-Computing die Wirtschaft fundamental verändern, gewinnen Rechenzentren eine zentrale, fast existenzielle Bedeutung. Sie sind die unsichtbaren Fabriken des 21. Jahrhunderts und haben sich von reinen Betriebsstätten zu einer der dynamischsten und renditestärksten Assetklassen im Immobiliensektor entwickelt. Der Markt boomt: Angetrieben durch den KI-Hype und eine explosionsartige Datenverarbeitung wird der jährliche Stromverbrauch deutscher Rechenzentren (aktuell über 20 Terawattstunden) Prognosen zufolge bis 2035 auf über 40 Terawattstunden ansteigen. Für Investoren, die nach stabilen, langfristigen Cashflows suchen, bieten diese digitalen Hochsicherheitstrakte mit ihren auf 10 bis 20 Jahre ausgelegten Mietverträgen attraktive Renditemöglichkeiten im oberen einstelligen und teils sogar zweistelligen Prozentbereich.

Doch der Schein der stabilen Einnahmen täuscht nicht über die Komplexität hinweg: Im Gegensatz zu klassischen Gewerbeimmobilien machen die technische Infrastruktur (Klimatisierung, USV, Serverracks) bis zu 75 Prozent der Gesamtinvestition aus. Zudem zwingen das neue Energieeffizienzgesetz (EnEfG) und strenge PUE-Werte die Branche zur raschen Transformation hin zu maximaler Nachhaltigkeit und Abwärmenutzung. All diese Faktoren erfordern ein hochspezialisiertes Bewertungsverfahren, das über die traditionelle Immobilienanalyse hinausgeht und die Discounted-Cash-Flow-Methode (DCF) als Standard etabliert hat. Dieser Artikel beleuchtet die Chancen, Risiken und die spezifischen Bewertungsanforderungen dieser zukunftssicheren, aber technisch hochkomplexen Anlageform.

In diesem Artikel:

Warum Rechenzentren als Assetklasse boomen

Die digitale Transformation verändert unsere Wirtschaft fundamental. Infolge des anhaltenden Booms, insbesondere durch KI-Anwendungen, hat der Stromverbrauch deutscher Rechenzentren die Marke von 20 Terawattstunden pro Jahr überschritten (Stand 2025), was über vier Prozent des Gesamtstromverbrauchs in Deutschland entspricht. Diese Entwicklung wird sich in den kommenden Jahren noch dramatisch verstärken: Streaming-Dienste, autonomes Fahren, das Internet der Dinge und insbesondere künstliche Intelligenz erfordern exponentiell mehr Rechen- und Speicherkapazitäten.

Innerhalb Europas ist der deutsche Markt der größte: Führend mit den beiden Standorten Frankfurt und Berlin. Deutschland profitiert dabei von seiner zentralen Lage in Europa, dem hohen Datenschutzniveau der DSGVO und einer zuverlässigen Energieversorgung. Diese Faktoren machen deutsche Rechenzentren besonders attraktiv für internationale Unternehmen, die ihre Daten sicher speichern möchten.

Anlässe für die professionelle Bewertung

Die Wertermittlung von Rechenzentren erfolgt aus unterschiedlichen Gründen und erfordert spezifisches Fachwissen. Typische Bewertungsanlässe umfassen:

  • Finanzierung und Beleihung: Kreditinstitute benötigen ein Beleihungswertgutachten, um die Kredithöhe für ein Rechenzentrum festzulegen. Dabei müssen Sachverständige nicht nur die Immobilie, sondern auch die komplexe technische Infrastruktur bewerten.
  • Transaktionen: Beim Kauf oder Verkauf eines Datenzentrums sichert ein unabhängiges Verkehrswertgutachten beiden Parteien Transparenz über den tatsächlichen Marktwert. Käufer prüfen zusätzlich die technische Funktionsfähigkeit im Rahmen einer Due Diligence.
  • Bilanzierung: Unternehmen, die Rechenzentren im Anlagevermögen führen, benötigen regelmäßig externe Gutachten für die Jahresabschlüsse nach IFRS oder HGB.
  • Investitionsentscheidungen: Bevor Investoren in ein Datenzentrum investieren, lassen sie eine fundierte Wirtschaftlichkeitsberechnung erstellen, die künftige Erträge und Risiken transparent darstellt.

Wertbestimmende Faktoren bei Datenzentren

Im Gegensatz zu klassischen Gewerbeimmobilien spielen bei Rechenzentren andere Kriterien eine zentrale Rolle.

Technische Infrastruktur als Werttreiber

Die technische Ausstattung ist das Herzstück jedes Rechenzentrums. Während bei klassischen Gewerbeimmobilien das Verhältnis zwischen Gebäudewert und technischer Ausstattung meist ausgewogen ist, liegt bei Rechenzentren der Anteil der Technik bei etwa 75 Prozent der Gesamtinvestition. Die wesentlichen technischen Komponenten umfassen:

  • Serverracks und IT-Hardware
  • Klimatisierungs- und Kühlsysteme
  • Unterbrechungsfreie Stromversorgung (USV)
  • Notstromaggregate
  • Brandschutz- und Sicherheitstechnik
  • Netzwerkinfrastruktur und Glasfaseranbindung

Eine moderne und energieeffiziente Technik ist entscheidend für die Wettbewerbsfähigkeit. Betreiber modernisieren ihre Anlagen daher regelmäßig, auch um von Förderprogrammen zur Energieeffizienz zu profitieren.

Lage und Infrastruktur

Die Standortwahl ist für Rechenzentren existenziell. Anders als bei Wohn- oder Büroimmobilien zählen hier jedoch völlig andere Lagefaktoren:

Stromversorgung: Ein stabiler Zugang zu leistungsfähigen Hochspannungsleitungen ist unverzichtbar. Die Nähe zu Umspannwerken ist oft ein guter Indikator für funktionierende Data Center-Standorte. Idealerweise verfügt der Standort über eine redundante Stromversorgung aus mehreren Einspeisepunkten.

Datenknotenpunkte: Die Anbindung an wichtige Internetknotenpunkte reduziert Latenzzeiten und verbessert die Performance. Frankfurt am Main hat sich als zentraler europäischer Datenknotenpunkt etabliert und zieht deshalb besonders viele Rechenzentren an.

Flächenverfügbarkeit: Rechenzentren benötigen großzügige Grundstücksflächen, oft ab 10.000 Quadratmeter. Zusätzliche Erweiterungsflächen für künftiges Wachstum sollten bereits bei der Standortwahl berücksichtigt werden.

Sicherheitsaspekte: Der Standort sollte nicht in Überschwemmungsgebieten liegen, fern von Flugschneisen sein und keine explosionsgefährdeten Betriebe in der Nähe haben.

Energieeffizienz und Nachhaltigkeit

Die Energieeffizienz wird als Kennzahl PUE (Power Usage Effectiveness) gemessen. Ein PUE-Wert von 1,0 würde bedeuten, dass 100 Prozent der Energie direkt für die IT-Infrastruktur genutzt wird. In der Praxis sind Werte zwischen 1,2 und 1,5 realistisch. Je niedriger der Wert, desto effizienter arbeitet das Rechenzentrum.

Das Energieeffizienzgesetz (EnEfG) in Deutschland hat bereits strenge Nachhaltigkeitsregeln für Rechenzentren definiert, deren Pflichten gestaffelt in Kraft treten. Das Gesetz sieht vor, dass die Betreiber möglichst sparsam mit Energie umgehen und die anfallende Abwärme (Wärmerückgewinnung) nutzen, etwa indem sie in kommunale Wärmenetze eingespeist wird.

Besonders wichtig ist die Vorgabe des PUE-Wertes: Für neue Rechenzentren, die ab dem 1. Juli 2026 in Betrieb genommen werden, ist ein maximaler PUE-Wert von 1,2 verpflichtend. Für bestehende Rechenzentren gelten ebenfalls schrittweise strengere Anforderungen.

Abwärmenutzung als Zukunftsthema

Ein besonderer Aspekt bei der Bewertung von Rechenzentren ist deren Abwärmepotenzial. Moderne Datenzentren produzieren erhebliche Wärmemengen, die bisher oft ungenutzt an die Umwelt abgegeben werden. Diese Abwärme kann jedoch zur Versorgung umliegender Gebäude mit Heizenergie und Warmwasser genutzt werden. Bereits heute könnten Rechenzentren theoretisch etwa 350.000 Wohnungen mit Wärme versorgen.

Die Einspeisung ins Fernwärmenetz wird zunehmend gefördert und kann für Betreiber eine zusätzliche Einnahmequelle darstellen. Bei der Bewertung sollten Sachverständige dieses Potenzial berücksichtigen und prüfen, ob die infrastrukturellen Voraussetzungen für eine Abwärmenutzung gegeben sind.

Bewertungsverfahren für Rechenzentren

Die Immobilienbewertung von Rechenzentren stellt besondere Anforderungen an Sachverständige. Die klassischen deutschen Bewertungsverfahren stoßen hier teilweise an ihre Grenzen:

Vergleichswertverfahren: Der Markt für Rechenzentren ist intransparent und Vergleichsobjekte sind rar. Deshalb lässt sich das Vergleichswertverfahren nur eingeschränkt anwenden.

Sachwertverfahren: Das Sachwertverfahren fokussiert sich auf Herstellungskosten und wird der zukunftsorientierten Bewertung eines Rechenzentrums nicht vollständig gerecht, auch wenn die technische Ausstattung berücksichtigt werden kann.

Ertragswertverfahren: Das Ertragswertverfahren eignet sich grundsätzlich für vermietete Datenzentren, greift aber oft zu kurz, da viele Rechenzentren von den Eigentümern selbst betrieben werden und nicht primär zur Vermietung dienen.

DCF-Methode als bevorzugtes Verfahren

In der Praxis hat sich die Discounted-Cash-Flow-Methode (DCF) als Standard etabliert. Sie ermöglicht eine zukunftsorientierte Bewertung auf Basis der zu erwartenden Zahlungsströme. Die DCF-Methode berücksichtigt:

  • Prognostizierte Mieteinnahmen aus Server-Colocation
  • Betriebskosten (Energie, Personal, Wartung)
  • Investitionen in technische Erneuerungen
  • Restwerte der technischen Anlagen
  • Risikozuschläge für technologische Veränderungen

Zusätzlich müssen Sachverständige sowohl den Bodenwert als auch spezifische Risikofaktoren anpassen, da Rechenzentren hochspezialisierte Immobilien mit eingeschränkter Drittverwendungsfähigkeit sind.

Rechenzentren als Investitionsobjekt

Rechenzentren haben sich zu einer attraktiven Assetklasse für institutionelle Investoren entwickelt. Die jährlichen Ausschüttungsrenditen können sogar im zweistelligen Bereich liegen und übertreffen damit andere Immobilieninvestments.

Chancen für Investoren

Stabile Cashflows: Mietverträge für Serverkapazitäten werden üblicherweise über 10 bis 20 Jahre geschlossen und bieten damit außergewöhnliche Planungssicherheit. Häufig enthalten die Verträge Anpassungsklauseln, die eine Erweiterung der Kapazitäten bei Bedarf ermöglichen.

Zukunftssicherer Markt: Die weltweit zu verarbeitende Datenmenge steigt rasant. Lag das Volumen 2017 noch bei 26 Zettabyte, so wird das Volumen für 2022 auf etwa 104 Zettabyte geschätzt, und bis 2027 sollen es 284 Zettabyte sein. Dieser Wachstumstrend ist langfristig gesichert.

Standortvorteil Deutschland: Das hohe Datenschutzniveau nach DSGVO, die zentrale Lage in Europa und die stabile Stromversorgung machen Deutschland zu einem bevorzugten Standort für Datenzentren.

Wertsteigerung von Gewerbegrundstücken: Data Center-Entwickler können deutlich höhere Grundstückspreise zahlen, oft das Drei- bis Vierfache dessen, was ein klassischer Immobilienentwickler zahlen kann.

Risiken und Herausforderungen

  • Hohe Initialinvestitionen: Die Errichtung eines Rechenzentrums erfordert Investitionen im hohen zweistelligen Millionenbereich oder mehr. Davon entfallen etwa 75 Prozent auf die technische Ausstattung.
  • Technologische Entwicklung: Die IT-Branche unterliegt einem raschen technologischen Wandel. Veraltete technische Ausstattung kann die Wettbewerbsfähigkeit eines Rechenzentrums gefährden.
  • Energiekosten: Steigende Strompreise können die Rentabilität beeinträchtigen. Langfristige Stromlieferverträge können dieses Risiko minimieren.
  • Eingeschränkte Drittverwendung: Ein Rechenzentrum lässt sich kaum in eine andere Gewerbeimmobilie umwandeln. Diese eingeschränkte Fungibilität erhöht das Investitionsrisiko.

Finanzierungsmöglichkeiten

Die Finanzierung von Rechenzentren erfolgt selten über klassische Immobilienfinanzierungen. Banken sind zurückhaltend, da die hohen technischen Investitionen und die eingeschränkte Drittverwendungsfähigkeit besondere Risiken bergen.

Stattdessen haben sich alternative Finanzierungsmodelle etabliert:

Strategische Partnerschaften: IT-Konzerne und Hardware-Hersteller kooperieren bei der Entwicklung und Finanzierung von Rechenzentren. Großunternehmen wie Microsoft, Google oder Amazon entwickeln ihre Datenzentren häufig selbst.

Sale-and-lease-back: Betreiber verkaufen ihre technische Ausstattung an spezialisierte Leasinggesellschaften und mieten sie zurück. Dies verbessert die Liquidität und ermöglicht regelmäßige technologische Updates.

Förderprogramme: Die Bundesförderung für Energieeffizienz in der Wirtschaft (EEW) bezuschusst Investitionen in energieeffiziente Anlagentechnik mit bis zu 40 Prozent. Förderfähig sind insbesondere:

  • Optimierte Klimatisierungssysteme mit freier Kühlung
  • Effiziente Kälteerzeugung mit hoher Energy Efficiency Ratio (EER)
  • Maßnahmen zur Abwärmenutzung, etwa durch Einspeisung ins Fernwärmenetz

Die Rolle qualifizierter Sachverständiger

Die Bewertung von Rechenzentren erfordert interdisziplinäres Know-how. Öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige mit Spezialisierung auf Gewerbeimmobilien müssen nicht nur über immobilienwirtschaftliches Fachwissen verfügen, sondern auch die technischen Besonderheiten von IT-Infrastrukturen verstehen.

Bei SCHIFFER Immobiliensachverständige verfügen wir über die erforderliche Expertise zur fundierten Bewertung von Rechenzentren. Unsere nach ISO/IEC 17024 zertifizierten Sachverständigen erstellen gerichtsfeste Gutachten, die von Banken, Finanzämtern und Gerichten anerkannt werden.

Zusammenfassend: Rechenzentren als Investitionschance mit Spezialkenntnissen

Rechenzentren entwickeln sich zu einer der attraktivsten Assetklassen im gewerblichen Immobiliensektor. Die fortschreitende Digitalisierung, das Wachstum künstlicher Intelligenz und Cloud-basierter Dienste schaffen eine nachhaltige Nachfrage nach Serverkapazitäten. Für Investoren bieten Datenzentren überdurchschnittliche Renditen bei gleichzeitig langfristiger Planungssicherheit durch stabile Mietverträge.

Die Bewertung von Rechenzentren erfordert jedoch spezialisiertes Fachwissen, das über klassische Immobilienbewertung hinausgeht. Entscheidend sind nicht nur die Immobilie selbst, sondern vor allem die technische Infrastruktur, die Energieeffizienz und das Abwärmepotenzial. Sachverständige müssen zudem die komplexen Eigentümerstrukturen und Betreibermodelle verstehen.

Wer in Rechenzentren investieren oder diese bewerten lassen möchte, sollte auf qualifizierte Sachverständige mit entsprechender Zusatzqualifikation zurückgreifen. Eine fundierte Wertermittlung bildet die Basis für erfolgreiche Investitionsentscheidungen in dieser zukunftsträchtigen Assetklasse.

Professionelle Bewertung für Ihr Rechenzentrum

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