Was sind Life Science Immobilien?
Life Science Immobilien sind speziell konzipierte Gebäude für Unternehmen aus den Bereichen Biotechnologie, Pharmazie, Medizintechnik und biomedizinischer Forschung. Diese Immobilien vereinen unterschiedliche Nutzungsbereiche unter einem Dach und erfüllen dabei außergewöhnlich hohe Standards in Technik, Hygiene und Sicherheit.
Typische Bestandteile solcher Objekte sind:
- Laborflächen: Reinräume mit kontrollierten Umgebungsbedingungen für biologische und chemische Experimente
- Forschungs- und Entwicklungsbereiche: Hochspezialisierte technische Einrichtungen für Produkttests und Versuche
- Produktionsstätten: GMP-konforme Fertigungsflächen für pharmazeutische und biotechnologische Produkte
- Büro- und Verwaltungseinheiten: Arbeitsplätze für administrative und koordinative Tätigkeiten
- Logistikbereiche: Spezialisierte Lager für temperaturgeführte Produkte und Substanzen
Die technischen Anforderungen an Life Science Immobilien übertreffen klassische Gewerbeimmobilien bei weitem und erfordern erhebliche Investitionen in Gebäudetechnik und Ausstattung.
Marktentwicklung und Standorte in Deutschland
Der deutsche Life Science Markt zeigt sich 2025 bemerkenswert stabil. Die Spitzenrendite für Life Science Produkte in Deutschland liegt bei 4,80 Prozent, wobei nach Anstiegen in den Vorjahren eine erste Marktberuhigung erkennbar ist. Dennoch bleiben großvolumige Transaktionen vorerst die Ausnahme.
Zentrale Cluster in Deutschland
Die bedeutendsten Life Science Standorte konzentrieren sich auf wenige Regionen:
- München und Umgebung: Der führende Standort mit etablierten Clustern in Martinsried, Planegg und Gräfelfing profitiert von der Nähe zu renommierten Universitäten und Forschungseinrichtungen. Im ersten Halbjahr 2025 wurden mehrere größere Vermietungen getätigt, etwa 4.800 Quadratmeter im Neubauprojekt "The Stack" durch Novartis.
- Berlin-Potsdam: Die Hauptstadtregion punktet mit der Charité, Bayer und einer hohen Anziehungskraft für Digital Health Unternehmen. Die flächengrößte Vermietung im ersten Halbjahr 2025 erfolgte durch LGC Biosearch Technologies mit 3.200 Quadratmetern in Treptow-Köpenick.
- Rhein-Neckar-Region: Heidelberg und Mannheim zählen zu den führenden Clustern mit wachsender öffentlicher Förderung. Der Investmentmarkt zeigt sich aufgrund mangelnder Produktverfügbarkeit jedoch gedämpft.
- Rhein-Main-Region: Frankfurt profitiert von der Finanz- und Logistiknähe, während die historisch gewachsenen Life Science Cluster vor allem in Marburg, Gießen (Behring-Cluster) und Mainz (BioNTech) angesiedelt sind. Die Region bietet gute Verkehrsanbindung und attraktive Finanzierungsmöglichkeiten.
Besondere Anforderungen an die Gebäudetechnik
Life Science Immobilien unterscheiden sich fundamental von klassischen Büroimmobilien oder Produktionsimmobilien. Die technischen Spezifikationen umfassen:
- Reinraumstandards: Strengste Vorgaben für Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Partikelfreiheit gemäß GMP-Richtlinien sind zwingend erforderlich. Die Luftwechselraten können bis zu 30-fach pro Stunde betragen.
- Hochleistungs-Haustechnik: Lüftungs- und Kühlsysteme müssen rund um die Uhr störungsfrei arbeiten. Redundante Systeme sichern den Betrieb auch bei Ausfällen ab.
- Medienversorgung: Spezialisierte Infrastrukturen für Gase, Druckluft, entionisiertes Wasser und weitere Medien sind elementar für Forschung und Produktion.
- Sicherheitstechnik: Biometrische Zugangssysteme, Überwachungstechnik und spezielle Brandschutzkonzepte gewährleisten den Schutz sensibler Bereiche.
- Flexible Raumstrukturen: Modulare Konzepte ermöglichen die Anpassung an veränderte Forschungsanforderungen und Nutzerbedürfnisse.
Der Einsatz von KI beschleunigt das Entwicklungstempo in der medizinischen und pharmazeutischen Forschung und erhöht den Bedarf an modernen, technologisch ausgestatteten Immobilien. Hybride Forschungsmodelle erfordern zunehmend die nahtlose Integration von Nass- und Trockenlaboren mit direkt angeschlossenen Büros.
Herausforderungen bei der Immobilienbewertung
Die Bewertung von Life Science Immobilien stellt Sachverständige vor besondere Herausforderungen, die weit über klassische Immobilienbewertungen hinausgehen.
Geringe Vergleichbarkeit
Anders als bei Wohnimmobilien oder Standard-Gewerbeimmobilien existieren kaum direkt vergleichbare Transaktionen. Jedes Life Science Objekt ist individuell konzipiert und auf spezifische Nutzeranforderungen zugeschnitten. Das erschwert die Anwendung des Vergleichswertverfahrens erheblich.
Hohe Spezialisierung der Ausstattung
Die technische Infrastruktur ist auf die Bedürfnisse biowissenschaftlicher Unternehmen ausgerichtet. Bei der Anwendung des Sachwertverfahrens müssen Sachverständige die außergewöhnlich hohen Herstellungskosten für Reinräume, Speziallüftungen und Sicherheitssysteme präzise erfassen und bewerten.
Eingeschränkte Drittverwendungsfähigkeit
Life Science Immobilien lassen sich nur begrenzt für andere Nutzungen adaptieren. Dies beeinflusst den Verkehrswert maßgeblich, da die Käuferschicht stark eingeschränkt ist. Bei Leerstand können längere Vermarktungszeiten entstehen, wenn keine Nachnutzung aus dem gleichen Sektor gefunden wird.
Dynamische Mieterstruktur
Viele Nutzer sind innovative Start-ups und Scale-ups mit begrenzter Bonität. Bei der Anwendung des Ertragswertverfahrens müssen erhöhte Ausfallrisiken berücksichtigt werden. Gleichzeitig entstehen durch etablierte Ankermieter mit langfristigen Verträgen oft stabile Cashflows.
Beispielrechnung Verkehrswertermittlung
Für ein Life Science Objekt mit 8.500 Quadratmetern Gesamtfläche, davon 4.200 Quadratmeter Laborflächen und 4.300 Quadratmeter Büro- und Nebenflächen in guter Clusterlage, könnte sich folgende vereinfachte Berechnung ergeben:
Ertragswertverfahren:
- Jahresnettomiete Laborflächen: 4.200 m² × 34 Euro/m² = 142.800 Euro
- Jahresnettomiete Büroflächen: 4.300 m² × 19 Euro/m² = 81.700 Euro
- Gesamtjahresmiete: 224.500 Euro
- Bewirtschaftungskosten (35 Prozent): 78.575 Euro
- Reinertrag: 145.925 Euro
- Liegenschaftszins (5,2 Prozent): Kapitalisierter Ertragswert ca. 2.806.000 Euro
- Bodenwert (1.200 m² × 950 Euro/m²): 1.140.000 Euro
- Ertragswert gesamt: ca. 3.946.000 Euro
Sachwertverfahren:
- Herstellungskosten Laborflächen: 4.200 m² NF × 4.200 Euro/m² = 17.640.000 Euro
- Herstellungskosten Büroflächen: 4.300 m² NF × 2.400 Euro/m² = 10.320.000 Euro
- Alterswertminderung (Baujahr 2018, 7 Jahre alt, 60 Jahre Restnutzungsdauer): 88 Prozent
- Gebäudewert: 27.960.000 Euro × 0,88 = 24.604.800 Euro
- Bodenwert: 1.140.000 Euro
- Sachwert vorläufig: 25.744.800 Euro
- Marktanpassung (Sachwertfaktor 0,82): 21.110.736 Euro
In der Praxis erfordert die Verkehrswertermittlung von Life Science Immobilien eine detaillierte Analyse aller wertbeeinflussenden Faktoren durch einen erfahrenen Sachverständigen. Die tatsächlichen Werte können je nach Standort, Ausstattungsqualität, Mieterstruktur und Marktlage erheblich variieren. Der endgültige Verkehrswert wird in der Regel aus einer Synthese von Ertrags- und Sachwertverfahren unter Berücksichtigung der Objektbesonderheiten ermittelt. Die hier dargestellte Diskrepanz zwischen den Verfahren illustriert die typische Bewertungsherausforderung bei hochspezialisierten Immobilien mit eingeschränkter Drittverwendungsfähigkeit.
Chancen für Investoren
Trotz der Komplexität bieten Life Science Immobilien attraktive Investitionsmöglichkeiten:
Krisenresistenz: Einrichtungen für Forschung, Diagnostik und Gesundheitsversorgung sind weniger von konjunkturellen Schwankungen betroffen als andere Gewerbeimmobilien.
Demografischer Rückenwind: Eine alternde Bevölkerung, zunehmende chronische Erkrankungen und steigender Bedarf an individualisierter Medizin schaffen kontinuierliche Nachfrage.
Technologischer Fortschritt: Die Investitionen in europäische Life Science Venture Capital liegen weiterhin auf hohem Niveau und übertreffen in vielen Teilbereichen die Vor-Corona-Jahre. Im Healthcare-Sektor werden Milliardensummen mobilisiert, die langfristig in moderne Infrastruktur und spezialisierte Immobilien fließen.
Förderung und Unterstützung: Öffentliche Hand und private Förderer unterstützen die Ansiedlung von Life Science Unternehmen durch Zuschüsse und vergünstigte Finanzierungen.
Langfristige Mietverträge: Etablierte Unternehmen schließen oft Verträge mit Laufzeiten von zehn Jahren und mehr ab, was für stabile Erträge sorgt.
Risiken und Herausforderungen
Investoren sollten folgende Risikofaktoren berücksichtigen:
Hoher Investitionsbedarf: Der Bau oder Umbau verursacht deutlich höhere Kosten als bei Standardimmobilien. Spezielle Anforderungen an Labor- und Reinraumflächen führen zu Gesamtbaukosten von 4.500 bis über 7.500 Euro pro Quadratmeter Bruttogrundfläche (BGF), bei hochinstallierten Reinräumen können die Kosten noch deutlich darüber liegen. Bezogen auf die Nutzfläche ergeben sich aufgrund des Flächenfaktors noch höhere spezifische Baukosten.
Betriebskosten: Klimatisierung, Lüftertechnik und Sicherheitssysteme treiben die laufenden Kosten erheblich. Der Energiebedarf liegt bis zu 300 Prozent über dem klassischer Bürogebäude.
Regulatorische Komplexität: Arbeitsschutz, Hygienevorgaben und Umweltauflagen stellen hohe Anforderungen an Bau, Betrieb und Instandhaltung mit entsprechendem Mehraufwand.
Standortabhängigkeit: Die Lage in etablierten Clustern ist erfolgsentscheidend. Objekte außerhalb der Kernzonen können Vermarktungsschwierigkeiten aufweisen.
Mieterabhängigkeit: Die Bindung an wenige Großmieter erhöht das Ausfallrisiko. Eine ausgewogene Mieterstruktur aus etablierten Unternehmen und wachstumsstarken Start-ups ist empfehlenswert.
Umnutzungspotenzial in Innenstädten
Ein innovativer Ansatz betrifft die Umnutzung leerstehender Kaufhäuser und Warenhäuser. Während Erdgeschoss und Untergeschoss dem Einzelhandel vorbehalten bleiben können, bieten die oberen Etagen durch ihre Struktur Voraussetzungen für Forschung, Entwicklung und Lehre.
Vorteile dieser Konzepte:
- Bestehende Gebäudestruktur mit ausreichender Raumtiefe und Deckenhöhe
- Technisch nachrüstbare Lüftungs- und Klimasysteme
- Zentrale Innenstadtlagen mit guter Verkehrsanbindung
- Belebung innerstädtischer Bereiche durch neue Nutzungen
Dennoch gilt, Neubauten bieten konstruktionsbedingt häufig mehr Flexibilität und Effizienz. Sie bleiben insbesondere bei hochspezialisierten Anforderungen langfristig im Vorteil.
Wertermittlung durch Sachverständige
Aufgrund der beschriebenen Komplexität ist eine fundierte Bewertung durch spezialisierte Sachverständige unerlässlich. Ein qualifiziertes Verkehrswertgutachten berücksichtigt:
- Standortanalyse mit Bewertung der Clusterzugehörigkeit
- Detaillierte Erfassung der technischen Gebäudeausstattung
- Analyse der Mieterstruktur und Vertragskonstellationen
- Bewertung der Drittverwendungsfähigkeit
- Vergleich mit Referenzobjekten unter Berücksichtigung der Besonderheiten
- Ertragswertberechnung mit angepassten Liegenschaftszinssätzen
- Sachwertermittlung mit realistischen Baukosten und Marktanpassung
Besonders bei Erbschaften, Unternehmensverkäufen oder Finanzierungen ist ein gerichtsfestes Gutachten durch einen öffentlich bestellten und vereidigten oder zertifizierten Immobiliensachverständigen unverzichtbar.
Zusammenfassend
Life Science Immobilien entwickeln sich zu einer etablierten Assetklasse mit attraktiven Renditen und stabilen Fundamentaldaten. Die Bewertung erfordert jedoch spezielles Fachwissen und Marktkenntnisse, die über klassische Gewerbeimmobilien hinausgehen.
Für Investoren bieten diese spezialisierten Objekte langfristige Chancen in einem wachstumsstarken Sektor. Die technische Komplexität, hohen Investitionskosten und eingeschränkte Drittverwendungsfähigkeit erfordern allerdings eine sorgfältige Analyse und professionelle Begleitung.
Eigentümer und potenzielle Käufer sollten bei Transaktionen stets einen erfahrenen Sachverständigen hinzuziehen, der die Besonderheiten von Life Science Immobilien kennt und eine marktgerechte Bewertung erstellen kann.
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