Wann ist eine Bewertung von Windkraftanlagen erforderlich?
Die Wertermittlung von Windenergieanlagen wird aus verschiedenen Gründen notwendig. Häufige Bewertungsanlässe sind:
Finanzielle Anlässe
- Kauf oder Verkauf von Windkraftanlagen (neu oder gebraucht)
- Beleihung zur Kreditaufnahme
- Bilanzierung und steuerliche Bewertung
- Liquidation von Betreibergesellschaften
Rechtliche Anlässe
- Erbschaft und Schenkung
- Scheidung und Vermögensaufteilung
- Entschädigungszahlungen bei Wertminderungen
- Flurbereinigungsverfahren und Bodenordnung
Betriebliche Anlässe
- Repowering-Maßnahmen (Ersatz alter durch neue Anlagen)
- Wirtschaftlichkeitsanalysen
- Projektfinanzierung und Due Diligence
Welche Gutachten gibt es für Windkraftanlagen?
Je nach Zweck der Bewertung erstellen Sachverständige unterschiedliche Gutachten-Arten:
Verkehrswertgutachten
Ein Verkehrswertgutachten gemäß § 194 BauGB dient als rechtssicheres Dokument gegenüber Finanzämtern, Gerichten und Kaufinteressenten. Es ermittelt den aktuellen Marktwert der Windkraftanlage unter Berücksichtigung aller wertrelevanten Faktoren.
Beleihungswertgutachten
Soll die Windkraftanlage als Sicherheit für ein Bankdarlehen dienen, erstellen öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige ein Beleihungswertgutachten nach BelWertV. Dieses ermittelt den Wert konservativer als ein Verkehrswertgutachten und berücksichtigt nur nachhaltig erzielbare Erträge.
Bodenwertgutachten
Bei Bodenordnungsverfahren oder Entschädigungsansprüchen wird der Bodenwert des Grundstücks ermittelt. Dies ist relevant, wenn landwirtschaftliche Flächen für Windenergie umgewidmet werden.
Faktoren der Wertermittlung bei Windkraftanlagen
Die Bewertung von Windenergieanlagen basiert auf mehreren zentralen Faktoren:
Standortqualität und Windverhältnisse
Der Ertrag einer Windkraftanlage hängt maßgeblich vom Windaufkommen am Standort ab. Sachverständige bewerten:
- Jahreswindgeschwindigkeit in Nabenhöhe
- Windrichtungsverteilung
- Topographische Gegebenheiten
- Umgebungsbebauung und Abschattungseffekte
Offshore-Anlagen an Nord- und Ostsee erzielen aufgrund konstanterer Windverhältnisse höhere Erträge als Binnenstandorte. Windräder an Küstenstandorten und Bergkuppen sind ebenfalls wirtschaftlich attraktiver als Anlagen in windärmeren Regionen.
Technische Parameter
Wesentliche technische Kennzahlen für die Bewertung:
- Nennleistung in Kilowatt (KW)
- Nabenhöhe (typisch zwischen 80 und 160 Meter)
- Rotordurchmesser (moderne Anlagen 90 bis 150 Meter)
- Anlagentyp (mit oder ohne Getriebe)
- Baujahr und technischer Zustand
- Wartungshistorie und Betriebsdaten
Eine moderne Onshore-Windkraftanlage mit 4 MW Nennleistung erzeugt im Durchschnitt 8 bis 12 Millionen Kilowattstunden Strom pro Jahr und versorgt damit etwa 3.000 Haushalte.
Wirtschaftliche Rahmenbedingungen
Förderzeitraum und Vergütung:
Nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) haben Betreiber für 20 Jahre Anspruch auf Einspeisevergütungen. Der Wert wird im wettbewerblichen Ausschreibungsverfahren ermittelt, wobei der Höchstwert für 2025 bei 7,35 Cent pro Kilowattstunde liegt. Diese garantierte Vergütung ist ein zentraler Faktor für die Wertermittlung.
Herstellungs- und Betriebskosten:
Die Investitionskosten moderner Windkraftanlagen setzen sich aus verschiedenen Komponenten zusammen. Die Hauptinvestition für Anlage, Turm und Rotor liegt zwischen 950 und 1.200 Euro pro Kilowatt Nennleistung. Hinzu kommen wesentliche Nebenkosten:
- Planungs- und Genehmigungskosten (ca. 120 Euro/KW)
- Netzanschluss und Infrastruktur (ca. 90 Euro/KW)
- Fundament und Erschließung (ca. 80 Euro/KW)
- Jährliche Betriebskosten (ca. 65 Euro/KW)
Damit ergeben sich Gesamtinvestitionskosten von etwa 1.240 bis 1.490 Euro pro Kilowatt Nennleistung. Die Instandhaltungskosten machen etwa 40 Prozent der Betriebskosten aus und steigen mit dem Anlagenalter deutlich an.
Bewertungsverfahren für Windkraftanlagen
Zur Wertermittlung von Windenergieanlagen kommen verschiedene Verfahren zum Einsatz:
Ertragswertverfahren
Das Ertragswertverfahren ist die gängigste Methode zur Bewertung von Windkraftanlagen. Es kapitalisiert die künftig erzielbaren Erträge unter Berücksichtigung von:
Bruttoenergiertrag: Die Berechnung basiert auf der Windgeschwindigkeitsverteilung am Standort und der Leistungskennlinie der Anlage. Für eine 3,5 MW-Anlage an einem Standort mit 7,2 m/s mittlerer Windgeschwindigkeit ergibt sich ein Bruttoenergiertrag von etwa 9.800 MWh pro Jahr.
Nettoenergiertrag: Vom Bruttoertrag sind verschiedene Verluste abzuziehen:
- Abschattungseffekte durch benachbarte Anlagen (6-10 %)
- Technische Verfügbarkeit (Stillstandzeiten, 2-4 %)
- Elektrische Verluste (1-3 %)
- Genehmigungsrechtliche Einschränkungen (2-5 %)
Der Nettoenergiertrag liegt damit bei etwa 82-87 Prozent des Bruttoertrags.
Beispielrechnung Ertragswert
Annahmen:
- Windkraftanlage mit 3,5 MW Nennleistung
- Nettoenergiertrag: 8.500 MWh/Jahr
- Einspeisevergütung: 6,8 Cent/kWh (Jahr 1) Jährlicher Sicherheitsabschlag auf die Erlöse (zur Berücksichtigung von Marktpreisschwankungen und Betriebskostensteigerung): 1,5 %
- Betriebskosten: 220.000 Euro/Jahr
- Restnutzungsdauer: 18 Jahre
- Kapitalisierungszinssatz: 5,5 %
- Jährliche Einnahmen (Jahr 1): 8.500.000 kWh × 0,068 €/kWh = 578.000 Euro
- Jährlicher Überschuss (Jahr 1): 578.000 € - 220.000 € = 358.000 Euro
Der Ertragswert ergibt sich aus der Summe der abgezinsten Jahresüberschüsse über die Restnutzungsdauer. Bei dieser Beispielrechnung läge der Ertragswert bei circa 4,2 Millionen Euro.
Sachwertverfahren
Das Sachwertverfahren findet Anwendung, wenn keine aussagekräftigen Ertragsdaten vorliegen oder bei sehr jungen Anlagen. Es ermittelt den Wert aus:
- Herstellungskosten der Anlage (Turm, Rotor, Generator, Gondel)
- Kosten für Fundament und Installation
- Planungs- und Genehmigungskosten
- Abzüglich altersbedingter Wertminderung
Vergleichswertverfahren
Das Vergleichswertverfahren nutzt Kaufpreise vergleichbarer Windkraftanlagen. Aufgrund der Individualität jeder Anlage und des begrenzten Transaktionsmarktes ist dieses Verfahren nur eingeschränkt anwendbar und dient meist als Plausibilitätsprüfung.
Besonderheiten bei der Bewertung
Nutzungsdauer und Repowering
Die technische Lebensdauer von Windkraftanlagen liegt bei 20 bis 30 Jahren. In der Praxis erfolgt häufig nach 15-20 Jahren ein Repowering, bei dem alte Anlagen durch neue, leistungsstärkere ersetzt werden. Nach Ablauf der EEG-Förderung sinkt die Wirtschaftlichkeit deutlich, da die Anlagen am freien Strommarkt geringere Erlöse erzielen.
Pachtmodelle und Grundstücksrechte
Viele Windkraftanlagen stehen auf gepachteten Grundstücken. Die Pachtverträge haben typischerweise Laufzeiten von 20-30 Jahren. Zur Absicherung wird meist eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit im Grundbuch eingetragen. Die Pachtzahlungen bewegen sich zwischen 12 und 18 Prozent der Stromerträge.
Genehmigungsrechtliche Aspekte
Die Genehmigung nach Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) ist wertbestimmend. Sachverständige prüfen:
- Einhaltung von Lärmgrenzwerten
- Schattenwurfbegrenzungen
- Artenschutzrechtliche Auflagen
- Abstandsregelungen zu Wohnbebauung
Bestehende Auflagen können den Betrieb und damit den Ertrag einschränken, was sich wertmindernd auswirkt.
Kosten für die Bewertung von Windkraftanlagen
Die Kosten für ein Gutachten zur Wertermittlung einer Windkraftanlage richten sich nach:
- Umfang und Komplexität der Bewertung
- Anzahl der zu bewertenden Anlagen
- Art des Gutachtens (Verkehrswert, Beleihungswert, Kurzgutachten)
Bei Windparks mit mehreren Anlagen reduziert sich der Aufwand pro Einzelanlage. Die Investition in ein fundiertes Gutachten zahlt sich aus, da es rechtssichere Entscheidungsgrundlagen für Transaktionen, Finanzierungen oder steuerliche Belange bietet.
Warum SCHIFFER Immobiliensachverständige?
Als zertifizierte Sachverständige für Immobilienbewertung verfügen wir über die erforderliche Expertise zur Bewertung von Windenergieanlagen. Unsere Gutachten sind:
- Rechtssicher: Anerkennung durch Gerichte, Finanzämter und Banken
- Fundiert: Basierend auf aktuellen Marktdaten und technischen Analysen
- Transparent: Nachvollziehbare Herleitung aller Wertansätze
- Zertifiziert: Erstellt nach DIN EN ISO/IEC 17024
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Zusammenfassend
Die Bewertung von Windkraftanlagen erfordert spezialisiertes Fachwissen in den Bereichen Energietechnik, Immobilienbewertung und Wirtschaftlichkeitsrechnung. Zentrale Wertfaktoren sind die Standortqualität, die technischen Parameter der Anlage, die verbleibende Förderdauer und der technische Zustand. Das Ertragswertverfahren ist die gebräuchlichste Bewertungsmethode, die die künftigen Erträge aus der Stromerzeugung kapitalisiert.
Für eine rechtssichere Bewertung empfiehlt sich die Beauftragung eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen, der die komplexen technischen und wirtschaftlichen Zusammenhänge fachgerecht analysiert und in einem gerichtsfesten Gutachten dokumentiert.
